19.05.05
Hier wurden die Weichen gestellt
Vor dem Düsseldorfer
Industrie-Club: Rede von Jupp Angenfort zum 8. Mai
Anlässlich der Demonstration zum
60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2005 vor dem Düsseldorfer
Industrieclub benennt Jupp Angenfort, Sprecher der VVN-BdA NRW, in
seiner Rede die Verantwortung der Industrie für den historischen
Faschismus und heutigen Militarismus.
Verehrte Anwesende,
liebe Freundinnen und Freunde,
heute begehen wir den 60. Jahrestag der Befreiung von der
faschistischen Diktatur. Damals - 1945 - beherrschte die meisten
Menschen der Gedanke: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Aber man muss sich daran erinnern, wie es begonnen hat, wenn man
eine neue faschistische Entwicklung, wenn man neue Katastrophen
verhindern will.
Es hat nicht erst am 30. Januar 1933 mit der Machtübertragung an
Hitler begonnen. Schon vorher wurden die Weichen gestellt. Ein ganz
wichtiges Ereignis in der Vorbereitung von Faschismus und Krieg fand
am 26. Januar 1932 hier statt, hier, wo wir jetzt stehen, hier im
Industrie-Club. Der Präsident des Industrie-Clubs, einer
Vereinigung vornehmlich von Großindustriellen, war damals Jost
Henkel, der Persil-Boss. Er hat Hitler zum 26. Januar 1932 zu einem
Vortrag in den Industrie-Club eingeladen. Die Industriellen wollten
Hitlers Programm kennen lernen. Hitler kam gerne und brachte Göring
und den damaligen Führer der Terrortruppe SA, Röhm, mit.
Das Treffen Hitlers mit den Industriellen war bekannt geworden.
Arbeiter, Gewerkschafter, Kommunisten und Sozialdemokraten zogen zum
Protest hierher, zum Industrie-Club. Unter ihnen war der leider
bereits verstorbene Fritz Hollstein. Ich zitiere aus seiner
Schilderung der Ereignisse:
"Als wir Jung-Gewerkschaftler im Zentralverband der
Angestellten davon erfuhren, waren wir entsetzt. Uns war aus den
Studien bekannt, was Hitler in seinem Buch ´Mein Kampf´
proklamiert hatte: Antisemitismus und Gewalt. Wir zogen also zum
Industrie-Club, um die Unternehmer zu warnen. Auf dem Wege dorthin
begegnete uns eine marschierende SA-Kolonne mit Hakenkreuz-Fahne,
die sang: ´Wenn´s Judenblut vom Messer spritzt, dann geht´s noch
mal so gut!´.
Viele Demonstranten hatten sich vor Parkhotel und Industrie-Club
eingefunden. Vom benachbarten Arbeitsamt kamen eine Anzahl
Arbeitslose hinzu. Die Polizei, teils zu Pferd, wurde gegen uns
eingesetzt, weil wir warnend riefen: ´Hitler - das ist der Krieg!´.
Wir wurden verprügelt, manche in den Keller des benachbarten
Opernhauses eingesperrt." (Ende des Zitats)
Im Industrie-Club waren annähernd 300 Industrielle. Der Oberbürgermeister
von Düsseldorf, Dr. Robert Lehr, begrüßte Hitler. Der gleiche
Robert Lehr wurde nach dem Krieg in der Regierung Adenauer
Innenminister.
Hitler legte in einer Rede seine Konzeption vor. Er versprach, den
Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die
Parteien zu verbieten und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er
versprach, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und
"Lebensraum im Osten" zu erobern. Industrielle und
Bankiers dankten, wie Presse und Augenzeugen berichteten, mit lang
anhaltendem Dauerbeifall.
Von nun an flossen riesige Spenden an die Nazipartei. Es müsste im
Industrie-Club eine Tafel angebracht werden mit dem Text: "Hier
bekam Hitler von Großindustriellen und Bankiers Beifall und Geld,
hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt!"
Unter den Arbeiterinnen und Arbeitern, die vor dem Industrie-Club
protestierten, war auch die Kommunistin Maria Wachter, die die
heutige Demonstration angemeldet hat. Anwesend beim Protest am 26.
Januar vor dem Industrie-Club war auch Werner Stertzenbach. Als die
Nazis an die Macht geschoben worden waren, wurde später Maria
Wachter, wegen ihres Widerstandes gegen die Nazidiktatur, für fünf
Jahre ins Zuchthaus geworfen. Der Jude und Kommunist Werner
Stertzenbach kam ins Konzentrationslager. Jost Henkel aber, der
Persil-Boss, der Hitler zum Industrie-Club eingeladen hatte, wurde
Wehrwirtschaftsführer.
Nach dem Vortrag Hitlers vor den Industriellen hier im
Industrie-Club war die Angelegenheit noch nicht beendet. Am nächsten
Tag, am 27. Januar 1932, traf sich Hitler auf Schloss Landsberg, das
dem Großindustriellen Fritz Thyssen gehörte, mit ebendiesem
Thyssen und dem Großindustriellen Ernst Poensgen, Vereinigte
Stahlwerke. Hier wurde konkret über die Finanzierung der Nazipartei
gesprochen. Fritz Thyssen hat die Finanzierung später in seinem
Buch "I paid Hitler" (Ich bezahlte Hitler) geschildert.
Die Nazis zeigten sich später auch gegenüber dem Großindustriellen
Poensgen dankbar. Er wurde ebenfalls Wehrwirtschaftsführer. Die
Nazis taten noch mehr hier in Düsseldorf: Sie gaben 1941 der
Ronsdorfer Straße in Flingern den Namen "Ernst-Poensgen-Allee".
Im Jahre 1950 erst wurde das geändert. Die Straße wurde zurück
benannt in Ronsdorfer Straße.
Aber schon ein Jahr später, am 14. Dezember 1951, wurde erneut hier
in Düsseldorf eine Straße nach Ernst Poensgen, dem Industriellen,
der Hitler finanziert hatte, benannt. Die Stadtwaldstraße in
Grafenberg erhielt den Namen "Ernst-Poensgen-Allee". Sie
trägt ihn heute noch. Sie führt vom Staufenplatz bis zum Mörsenbroicher
Weg. Ist das nicht ein Skandal? Ist es nicht an der Zeit, dass die
Stadt Düsseldorf den Namen Ernst-Poensgen-Allee streicht und der
Straße wieder den alten Namen "Stadtwaldstraße" gibt?
Die Tagung vom 26. Januar 1932 hier im Industrie-Club wirft einen
Schatten, der bis in die heutigen Tage reicht. Als sollte der Gesprächsfaden
vom Industrie-Club 1932 wieder aufgenommen werden, erklärte
Industriellen-Präsident Michael Rogowski (BDI), der Rüstungsetat müsse
vergrößert werden. Die NPD, so Rogowski, sei nicht so beunruhigend
wie die PDS. Das "Phänomen Rechtsextremismus" solle nicht
überbewertet werden. ("Freie Presse", Chemnitz,
20.09.2004)
So weit der Industrieboss Rogowski heute. Ist das nicht eine
Schande? Müssen da nicht die Alarmglocken schlagen?
Die Lehren der Geschichte lauten anders. Sie fordern: Den Krieg
bannen! Abrüsten! Die frei werdenden Mittel für soziale und
kulturelle Zwecke verwenden!
In einem alten Lied der Arbeiterbewegung heißt es: "Arbeit,
Brot und Völkerfrieden - das ist unsere Welt!"
Ja, darum geht es!
Und es bleibt dabei, heute, 60 Jahre nach der Befreiung: Nie wieder
Faschismus, nie wieder Krieg!"
|