10.12.08
Licht bringen in eine dunkle Vergangenheit / Der deutsche
Nazijäger Ulrich Sander hat nie aufgegeben
The German Times und The
Asia Pacific Times Monthly newspapers from germany
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The German Times Online -
Shedding light on a dark past
German Nazi-hunter Ulrich Sander has never let go - By
Hanjo Seissler All his life, Ulrich Sander has been tracking
down the perpetrators of Nazi crimes in Germany. Ulrich
Sander would hardly care to be introduced with a quotation
from Prussian field marshal, Count Helmuth von Moltke
(1800-1891). But if the tenacity, hard work, modesty and an
unpretentious manner - the entire life, in fact, of the
67-year-old Nazi-hunter could be summarized, it would be
appropriate to use the words of that military man: "Not
the brilliance of success but the honesty of effort and true
perseverance in duty determines the value of a human life -
even when the result cannot be seen from outside."
THIS ARTICLE WILL BE AVAILABLE ONE WEEK AFTER PUBLICATION.
GERMAN TIMES Dez. 08
Hier die deutsche "Urfassung": |
Shedding light on a dark past / German Nazi-hunter Ulrich Sander
has never let go
Von Hanjo Seissler in "The German Times" vom 08.12.2008
Ulrich Sander wird nicht begeistert davon sein, mit einer
Erkenntnis des preußischen Generalfeldmarschalls Helmuth Graf von
Moltke (1800 - 1891) vorgestellt zu werden. Aber - wenn das
beharrliche Vorgehen, das zielstrebige Handeln, der zähe Fleiß,
die persönliche Bescheidenheit und das uneitle Wesen, kurz: das
Leben des 67Jahre alten "Nazijägers˜ (wie ihn die deutsche
Tageszeitung "taz" nennt) zusammengefasst werden müssten,
dann am besten mit einem Wort dieses Militärs: "Nicht der
Glanz des Erfolgs, sondern die Lauterkeit des Strebens und das treue
Beharren in der Pflicht, auch da, wo das Ergebnis nicht in die
äußere Erscheinung tritt, wird den Wert eines Menschenlebens
bedeuten."
In die Pflicht genommen fühlte sich der Sohn eines Hamburger
Widerständlers als er 15 Jahre alt war. Schon im Jahre 1956 wollte
er dabei helfen, den von Nazis Ermordeten, Geschundenen und
Eingekerkerten, ihre Würde zurück zu geben. Und denen, die den
braunen Staatsterroristen widerstanden hatten, die verdiente Ehre
zuteil werden zu lassen. Genauso will er, dass sich diejenigen, die
während der braunen Diktatur Schuld auf sich luden, dazu bekennen,
sich dafür verantworten und die Konsequenzen auf sich nehmen.
Kurzum: Er will "Gerechtigkeit!"
Den Anstoß zu seiner Mission gab ein Erlebnis in früher
Kindheit. Ulrich Sander war 1947, sechs Jahre alt, in eine Schule
eingeschult worden, die als Außenstelle des Konzentrationslagers
(KZ) Neuengamme gedient hatte. Im Keller dieses Gebäudes waren
unmittelbar vor dem Zusammenbruch Nazi-Deutschlands 20 jüdische
Kinder betäubt und danach erhängt worden. NS-Mediziner des KZ's
wollten so vertuschen, dass sie die Kinder zu lebensgefährlichen
Experimenten missbraucht hatten. "Dieser Keller war der Ort, in
dem wir unsere Schulspeisung einnahmen." Die Schulanfänger
hörten von ihren Eltern, was dort geschehen war. "Denn in den
Zeitungen standen Berichte über einen britischen Prozess gegen die
Mörder." Die Lehrer der Schule jedoch leugneten die Tat. Das
Entsetzen darüber steckt Sander noch heute in den Knochen. Das
spürt jeder, der mit ihm über das Geschehen von damals spricht.
Mit 17 Jahren, als kaufmännischer Lehrling in einem
Zeitungsverlag, war er über die Geschichte von Helmuth Hübener
gestolpert. Er begann zu recherchieren, was es mit dem Tod des
17-Jährigen auf sich hatte. Der war, weil er 1942 Flugblätter
gegen die Nazis und den Krieg verteilt hatte, vom sogenannten
Volksgerichtshof "wegen Vorbereitung zum Hochverrat und
landesverräterischer Feindbegünstigung zum Tod" verurteilt
und hingerichtet worden. Das, was Sander, der seit 1963 als
Journalist arbeitet, bei den Recherchen über Mörder, Sadisten,
Spitzel, Verräter, Denunzianten und Feiglinge, aber auch tapfere
Normalmenschen, aufrechte Deutsche und stille Helden herausfand, hat
ihn bis heute nicht losgelassen. Wohl deswegen, versucht er
unermüdlich, Licht ins braune Dunkel zu bringen.
Im Jahr 1967 legte er eine erste Arbeit über Helmuth Hübener
und dessen Widerstandsgruppe vor. 1993 erschien sein Buch "Mord
im Rombergpark". Es befasst sich mit den Morden der Nazis in
der Endphase des Krieges. 1999 gab er den Nachlass des Kölner
Widerstandskämpfers und Journalisten Kurt Bachmann unter dem Titel
"Wir müssen Vorkämpfer der Menschenrechte sein" heraus.
Die von ihm 2002 geschriebene Biografie "Jugendwiderstand im
Krieg - Die Helmuth Hübener Gruppe 1941/42". Zuvor hatte schon
sein Aufsatz von 1967 über den jungen Märtyrer den
Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass (er zitiert aus Sanders
Artikel) zu einer Hauptfigur seines Romans "Örtlich
betäubt" inspiriert. Der wiederum löste in den USA einen
umfassenden Dokumentarfilm aus. Demnächst soll der Spielfilm "Truth
& Treason" von Matt Whitaker mit Haley Joel Osment, der auf
Sanders Recherchen beruht, in die Kinos kommen. Vor vier Jahren kam
"Mörder unterm Edelweiß" heraus. An der Dokumentation
des Hearings zu den Verbrechen der deutschen Gebirgsjäger im
Zweiten Weltkrieg arbeitete er mit. Sein jüngstes Buch
"Mörderisches Finale. Naziverbrechen bei Kriegsende" ist
in diesem Jahr erschienen. Nicht gerade wenig und doch nur eine
kleine Auswahl.
Dabei hat sich Sander keineswegs ausschließlich schreibend
eingemischt. Bereits 1958 gründete er die "Geschwister-Scholl-Jugend"
in Hamburg mit. Sophie und Hans Scholl waren Mitglieder der
"Weißen Rose", einer Gruppe, die sich während des
Zweiten Weltkrieges dem Nationalsozialismus widersetzte. Seit vielen
Jahren stöbert er mit kriminalistischem Gespür alte und neue Nazis
auf, hält Vorträge vor Schulklassen, Gewerkschaftern und vor
Menschen, die einfach nur wissen wollen, was wirklich geschehen ist
seit 1945. Er enttarnte Neonazis in der deutschen Gerichtsbarkeit
und appelliert immer wieder an Behörden und Politiker Straßen,
Plätze, Gebäude, Kasernen und andere öffentliche Einrichtungen
von den Namen nationalsozialistischer Politiker, Hitlertreuer
Militärs, mörderischer Mediziner, das Recht beugender Juristen und
skrupelloser anderer Nutznießer des Systems - die beispielsweise
durch den "kostengünstigen Einsatz" von KZ-Häftlingen
und Verschleppten aus besetzten Ländern, sogenannten
Fremdarbeitern, gigantische Vermögen zusammenrafften - zu befreien.
Sander organisiert und nimmt teil an Demonstrationen gegen scheinbar
honorige Relikte aus brauner Vergangenheit.
Ohne ihn wüssten viele Deutsche nicht, dass deutsche Soldaten -
in Sonderheit Gebirgsjäger - in Italien und Griechenland wehrlose
Greise, Kinder und Frauen ermordet haben. Ohne ihn stünde Josef
Scheungraber, 89 - damals Kompanieführer einer Gebirgsjägertruppe,
jetzt Träger der Goldenen Ehrennadel des Kameradenkreises der
Gebirgsjäger - heute nicht vor Gericht. Ohne ihn - der die
Initiative, die dagegen protestierte, mit seinem Wissen und in
Artikeln unterstützte - trüge ein Gymnasium im westfälischen
Kreuztal wohl noch den Namen des Industriellen Friedrich Flick,
eines verurteilten Kriegsverbrechers. Ohne Menschen wie ihn und
seine Freunde wären die neue Blüten treibenden Reste des braunen
Sumpfes vermutlich längst ein angesehenes Feuchtbiotop.
Hanjo Seißler
Bildtext:
Seit sieben Jahren: Protestierer beim jährlichen Treffen des
"Kameradenkreises der Gebirgstruppe" (Vereinigung der
Veteranen der Gebirgstruppe der Weltkriegs-II-Wehrmacht und der
Nachkriegs-Bundeswehr) in Mittenwald/Bayern verlangen nach dem Stop
der "furchtbaren Tradition". Ihre vorrangige Forderung
ist, dass die "Täter" - Gebirgsjäger, die Frauen, Kinder
und Alte in 200 Dörfern in Griechenland massakrierten - ins
Gefängnis kommen und die Opferfamilien Entschädigung erhalten. Im
Jahr 2003 errichteten diese Opponierenden gegen das "falsche
Gedenken" Schilder für jede betroffene Gemeinde in
Griechenland mit der Zahl der Opfer und dem Tag des Verbrechens. Sie
zählten 400 an einem Tag am 18. September 1943 auf der Insel
Kefalonia. In Angesicht der teilnehmenden Veteranen verliest Ulrich
Sander laut die Namen der verantwortlichen Offiziere.
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