10.06.09
Herten: Gedenken am Mahnmal "Sag Nein!"
Im Gedenken an Zwangsarbeiter
und Kriegsgefangene
Im Rahmen der Hertener Europawochen fand eine Gedenkveranstaltung
der Kreisvereinigung der VVN-Bund der Antifaschisten Herten am
Mahnmal "Sag Nein!" statt. Hier die Rede von Hans Heinrich
Holland.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gaste, liebe Freunde aus Arras,
im Rahmen der Europawochen hier in Herten verneigen wir uns
gemeinsam in Erinnerung vor den Opfern einer Zeit, die wir alle
nicht erlebt haben möchten oder erleben möchten.
Die Älteren unter uns hatten bestimmt gerne auf diese
Erfahrungen verzichtet.
Der 2. Weltkrieg war das Ergebnis der faschistischen,
menschenverachtenden Politik der NSDAP, die insbesondere ihre
Unterstützung durch Eliten der Wirtschaft und des Militärs
erhielt. Ziel war nicht nur die Unterwerfung Europas, sondern der
Krieg richtete sich auch gegen die Menschen im eigenen Land.
Die gesellschaftliche Alternative - Sozialdemokraten. Kommunisten
und Gewerkschafter - befand sich zu dem Zeitpunkt - als die Nazis
den Krieg begannen - bereits seit 6 Jahren in Gefängnissen und
Konzentrationslagern, wurde gedemütigt, gefoltert, geknechtet oder
gleich ermordet. Der Rest der Menschen in Deutschland war
entrechtet. Das Schicksal stand am 1. September 1939 den Menschen
Europas noch bevor.
Mit dem Überfall auf Polen durch die Wehrmacht begann die
offizielle Versklavung von Menschen. Die erste deutsche Institution
zog am 2. Tag des Krieges in Polen ein - das Arbeitsamt. Es
"hob" dort "Arbeitskräfte" aus und schickte
Menschen zur Sklavenarbeit nach Deutschland. Hinter der Front
mordeten Polizeibataillone, auch der Polizeibataillon 326 aus
Recklinghausen. Opfer wurden nicht nur die polnische Intelligenz und
die Juden.
Die Ausweitung des Krieges in die UdSSR führte zu noch mehr
Sklavenarbeitern, die gezwungen wurden in Deutschland zu arbeiten.
Die ersten Kriegsgefangenen überließ die Wehrmacht noch sich
selbst - rund 2 Millionen Rotarmisten verhungerten, erfroren oder
wurden im Winter 1941/42 erschossen. Erst ab Herbst 1941 schaffte
man die Kriegsgefangenen auf Drängen der Wirtschaft - insbesondere
des Ruhrbergbaus - zur Sklavenarbeit ins Reich. Von den 390.000
Kriegsgefangenen im Dezember 1941 starben rund 72.000 auf deutschem
Reichsgebiet.
In Herten überwog der Einsatz von Kriegsgefangenen zur
Zwangsarbeit, insbesondere im Bergbau. Die Kriegsgefangenen in
Herten wurden über sog. Stammlager (zuständig für den Bergbau das
Stalag in Hemer im Sauerland) an ihre Arbeitsorte geschafft. Die
Arbeits- und Lebensbedingungen hier waren unmenschlich und
katastrophal. Davon zeugen heute noch Gräber auf den Hertener
Friedhöfen. Auf dem nahegelegenen Kommunalfriedhof Langenbochum
finden sich 160 Grabstätten, davon allein 140 von russischen
Kriegsgefangenen.
In Herten zählen wir mehr als 10 Orte, die zu Kriegszeiten als
Lager missbraucht wurden. Da sind natürlich die großen
Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager des Bergbaus, zwei in
Herten-Süd, eines in Langenbochum. Dann gab es weitere kleinere
Lager. In einem der kleineren Lager befinden wir uns augenblicklich.
Klein ist natürlich relativ. Hier auf dem Gelände waren zwischen
120 bis 150 Menschen untergebracht. Vorwiegend in dem Gebäude der
alten Turnhalle hier Rechts. Ein Drittel waren Zwangsarbeiter und
zwei Drittel Kriegsgefangene. Etwa die Hälfte waren französische
Kriegsgefangene.
Wie die Menschen hier untergebracht waren, wissen wir nicht. Dazu
fehlen Informationen. Mit Sicherheit war die Enge für die Menschen
hier aber nicht so groß, wie in einer Baracke des Langenbochumer
Lagers: 200 Menschen (Kriegsgefangene) teilten sich dort den Platz
in einer Baracke von 40m X 9,55 m, ohne Fenster - nur mit Oberlicht,
das auch zur Belüftung diente.
Wir wissen nur, dass die französischen Kriegsgefangenen besser
behandelt wurden als die Russen. Unrecht bleibt Unrecht! Denn wird
ein Unrecht weniger Unrecht, wenn man nicht ganz so menschenverachtend
behandelt wird?
Alle besetzten Länder wurden ausgeplündert. Auch die UdSSR und
Frankreich. Im Pas-de-Calais führte das zu Notaufständen, zu den
Bergarbeiterstreiks, zum Widerstand. Vor wenigen Jahren zeigten wir
dazu eine hervorragende Ausstellung von unseren Freunden aus
Arras.
Seit mehr als einem Jahrzehnt gedeiht nun die Freundschaft
zwischen unseren Organisationen, den Freunden der Résistance und
dem VVN-BdA, mit wohlwollender Unterstützung der Städte Arras und
Herten, dafür den Bürgermeistern einen Dank.
Wir stehen hier gemeinsam, um an das vergangene Unrecht zu
erinnern, auch mit der Absicht ähnliches Unrecht verhindern zu
wollen.
Wir wollen ein friedliches, ziviles und soziales Europa, in
dem die Achtung vor dem Anderen gilt.
Es gibt keinen geeigneteren Ort in Herten, wo ein solches
Bekenntnis ausgesprochen werden kann. Das Mahnmal erinnert an einen
Ort, dessen Vergangenheit wirklich kein Ruhmesblatt der Geschichte
war - hier geschah Unrecht.
Das Mahnmal wurde von jungen Menschen, Schülern der Martin-Luther-Schule
zusammen mit dem Künstler Achim Wagner gebaut. Ich diskutierte
damals mit den jungen Leuten über die Vergangenheit und alle
wussten, worum es bei dem Mahnmal ging. Damals entstand auch eine CD
einer Rap-Formation der Schule mit dem Titel - "Alle Anders - Alle
Gleich". Bei solchem Engagement sollte uns vor der Zukunft
eigentlich nicht bange sein - oder?
Wir SAGEN NEIN zu Menschenverachtung, Diskriminierung und
Unrecht, denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein
Verbrechen.
Wir schließen uns der Aussage von Wolfgang Borchert an. Wir
SAGEN NEIN zum Krieg!
Ein Pressespiegel ist hier als Download
im PDF-Format herunterladbar.
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