06.11.09
Die Krupps waren keine Demokraten
Essen: Walter Hilbig (VVN-BdA
Essen) zum Antikriegstag 2009
Liebe Essener Bürger, liebe Friedensfreunde!
Als heute vor genau 70 Jahren die feldgraue Front der
Nazi-Wehrmacht Polen überrollte, hatten die tapferen polnischen
Verteidiger mit ihrer Kavallerie keine Chance, die massive Wucht der
Essener Krupp-Panzer aufzuhalten. Ihr Schicksal wurde in einem
Blitzkrieg besiegelt.
Nicht weit von hier steht das Denkmal des Mannes, der als
Kanonenkönig in die Geschichte einging. Er lebte in der Zeit von
1812 bis 1887 und begründete den Ruf Essens als Waffenschmiede.
Zeitgleich (1817 - 1875) lebte in Deutschland der Dichter Georg
Herwegh, der als Mitglied des Bundes der Kommunisten zusammen mit
Marx und Engels für eine friedliche und sozialistische Gesellschaft
eintrat. Er charakterisierte bereits damals sehr treffend die
Tradition der Krupp-Dynastie:
So oft das Blut wie Wasser floss,
Sprachst du ein fromm Gebet
Und riefest: Gott ist groß
Und Krupp ist sein Prophet!
Und hat man dann das Heldentum
Mit froher Hand gepflegt -
Wer heilt die Wunden, die der Ruhm
Daheim der Freiheit schlägt?
Im Aufbau und in der Zerstörung war Krupp eng mit der Geschichte
Essens verbunden. Die "Waffenschmiede des Reiches" war die
Voraussetzung für die Führung zweier Weltkriege. Die Folgen haben
die Essener zu spüren bekommen. Unsere Stadt war, als sich der
Krieg gegen die Angreifer richtete, bevorzugtes Ziel der
Bombenangriffe der Alliierten.
Versailler Vertrag unterlaufen
Man sagt, die Industriellen haben Hitler unterstützt. Das ist
aber zu wenig. Man muss sagen: Sie haben auf Krieg und Faschismus
hingearbeitet.
Da sie sich nicht mit der Niederlage im 1. Weltkrieg abfinden
wollten, bereiteten sie direkt nach Kriegsende den 2. Weltkrieg vor.
Von Krupp wissen wir von heimlichen Rüstungsplänen unmittelbar
nach dem ersten Weltkrieg.
"Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen
Wehrwirtschaft, dass sie in diesen schlimmen Jahren nicht untätig
gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit
dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller
Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen
geschaffen, um zu gegebener Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust
wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereitzustehen… Nur
durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen Unternehmertums …
konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluss an die neuen Aufgaben der
Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann auch die ganz neuen
vielfältigen Probleme gemeistert werden." (IMT, Bd. I, S. 203
f.) [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i03]
So wurde der Versailler Vertrag unterlaufen und der Boden für
Krieg und Faschismus aufbereitet. Aus einer streng geheim gehaltenen
Sitzung geht hervor, dass Krupp bereits am 22. August 1933 eine
Bestellung von 100 Panzern erhielt.
Die Krupps waren keine Demokraten
Ob Kaiser-Wilhelm-Monarchie oder Hitler-Diktatur, die Krupps
waren Förderer und Nutznießer und mitverantwortlich am Massenmord
zweier Weltkriege. Inzwischen sind vielen Deutschen die Begriffe
"Holocaust" und "Auschwitz" vertraut. Aber
Auschwitz war nur durch Krieg möglich, d. h. der Weg nach Auschwitz
musste erst durch die Naziwehrmacht mit Kruppschen Waffen
freigeschossen werden, damit der Großkonzern seine Zünder-Fabrik
von Häftlingen bauen und mit "Vernichtung durch Arbeit"
bedienen konnte. Und das geschah nicht etwa, weil Hitler diktierte
und die armen Konzerne zwang, sich dem Diktat zu unterwerfen, nein,
sie haben sich um die Häftlinge bemüht. Von der Kruppschen Fabrik
in Auschwitz konnte man die rauchenden Schornsteine der
Verbrennungsöfen sehen. Das Internationale Militärtribunal
formuliert das so:
"Die Diktatur, hinter der sich diese Menschen zu
verschanzen suchten, war ihre eigene Schöpfung. Von dem Wunsche
getrieben, sich selbst eine Machtstellung zu schaffen, haben sie das
System aufgebaut, von dem sie ihre Befehle empfingen. Der
Fortbestand dieses Systems hängt von ihrer dauernden Unterstützung
ab." (IMT, Bd. XIX, S. 515) [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i09]
Raubkrieg und
"Plünderung"
Der 2. Weltkrieg, der in der Literatur häufig als Hitlers
Vernichtungskrieg bezeichnet wird, war in erster Linie ein Raubkrieg
der herrschenden Klasse des Industriekapitals. Dafür gibt es
zahlreiche Beweise und Aufzeichnungen des Internationalen
Militärtribunals in Nürnberg. Dazu einige Beispiele
Exklusiver Club in Düsseldorf
Der Krupp-Biograph William Manchester beschreibt folgende
Begebenheit, die sich am 16. Mai 1940 in einem exklusiven
Düsseldorfer Club zugetragen hatte. Die Wehrmacht hatte die Gebiete
noch nicht eingenommen, da wurde die Beute schon verteilt:
Anwesend waren in dem Club drei Ruhrindustrielle aus Essen und
ein Kunsthistoriker namens Rümann. Der Gastgeber Herr Lübs,
Betriebsführer bei Henkel, kündigte einen weiteren Gast, Herrn
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach an. Alle saßen vor einem Radio
und hörten die 2-Uhr-Nachrichten. Die deutschen Truppen hatten am
10.März die Grenzen Hollands, Belgiens und Luxemburgs
überschritten und bewegten sich auf Frankreich zu.
Einer der Industriellen hatte eine Landkarte mitgebracht. Er
breitete sie aus, und die Augen aller glitten darüber hin, suchten
die Namen der Orte, während der Ansager bekannt gab, wie weit die
Wehrmacht vorgedrungen sei. "[…]Am Ende der Sendung
unterhielten sich die Männer aufgeregt und intensiv. Sie deuteten
mit den Fingern auf bestimmte Stellen der Landkarte". Er hörte
sie aufgeregt schwatzen: "Dieses ist für Sie - jenes für Sie
- den wollen wir verhaften lassen - da ist Müller; er gehört
Ihnen", und "dort ist Herr ...[soundso] er hat zwei
Fabriken". Einmal sagte Alfried zu einem der anderen:
"Dieses Werk bekommen Sie". Kurz gesagt, sie fielen […]
ein - in den mittelalterlichen teutonischen Schrei nach Plünderung.
Rümann, der hinter ihnen stand, erinnerte sich:
"Sie glichen den um ihre Beute versammelten Aasgeiern,
und Sie dürfen glauben, dass ein Mann wie ich, ein Kunsthistoriker,
der sein Leben der Kulturerhaltung gewidmet hat, davon sehr
erschüttert sein musste".
Angewidert legte er seinem Gastgeber die Hand auf die Schulter
und sagte: "Ich scheine hier nicht recht am Platze zu
sein". […] Eilends rief Lübs sogleich das zuständige Amt
an, um Sonderpässe für sich und die anderen zu bestellen, die noch
ganz in die Landkarte vertieft waren. [William Manchester:
"Krupp Zwölf Generationen", Verlegt bei Kindler, Seiten
399/ 400]
Der Fall Rothschild
Erschütternd ist zum Beispiel das Schicksal Robert de
Rothschilds in Frankreich, der sich standhaft geweigert hatte, sein
Traktoren-Werk (wichtig für die Panzerproduktion!) an Krupp
abzutreten. Zunächst wurde er bei den Verhandlungen wegen seiner
jüdischen Herkunft unter Druck gesetzt, um dann, als immer noch
kein "freiwilliger" Vertrag zustande gekommen war, nach
Auschwitz abtransportiert zu werden.
Seine letzten 72 Stunden verbrachte er im Viehwagen der
Reichsbahn. Er tröste Waisenkinder, die zu klein oder zu
verängstigt waren, um die Befehlskommandos der
Totenkopf-Uniformierten zu verstehen.
Zielbahnhof der Lokomotive war Auschwitz. Dort, unter dem
riesigen berüchtigten Tor mit der Aufschrift "Arbeit macht
frei", standen die ausgemergelten Passagiere, während der
Selektierer, nicht selten von einem Krupp-Mann beraten,
"Links!" oder "Rechts!" rief und damit über
Leben und Tod entschied. Für Rothschild hieß es
"Links!".
Der Krupp-Biograph Manchester resümiert die eindeutigen Beweise
im Kriegsverbrecherprozess gegen Krupp: "Rothschild musste in
die Gaskammer, damit Krupp sich bereichern konnte." [William
Manchester: "Krupp Zwölf Generationen", Verlegt bei
Kindler, Seiten 403-408]
Ausbeutung von Sklavenarbeit
Der Faschismus hatte sich für Krupp und die Ruhrindustriellen
gelohnt. Ca. 100.000 Sklavenarbeiter, zusammengesetzt aus
KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten arbeiteten
in 81 Krupp-Betrieben.
Otto Köhler berichtet über ein undatiertes Massenverbrechen
der Industrie: "Krupp beispielsweise, das berichtete der
US-amerikanische Chefankläger im Nürnberger
Einsatzgruppen-Prozess, Benjamin B. Ferencz in ‚Lohn des Grauens',
hatte 2.000 Männer angefordert und musste sich mit 520 ungarischen
Jüdinnen, zwischen zwölf und 25 Jahre alt, zufrieden geben. Sie
hatten vorher mit ansehen müssen, wie ihre Eltern und Verwandten in
die Gaskammern geschickt wurden. Bei Krupp war man mit der
gelieferten Ware, den ‚Stücken', wie man sie dort nannte,
unzufrieden. Die Mädchen werden mit Reitpeitschen zur Arbeit
angetrieben, einige totgeschlagen. Als die US-Truppen nach Essen
vordringen, müssen die Mädchen verschwinden. Trotz aller
Transportschwierigkeiten beschließt Krupp, die Mädchen, welche die
Arbeit überlebt hatten, zur weiteren Veranlassung nach Buchenwald
zu schicken. Bei Krupp und später im Nürnberger
Kriegsverbrecherprozess ging man davon aus, dass das Problem seine
Endlösung gefunden habe. Doch die Tötungskapazitäten in
Buchenwald waren kurz vor Kriegsende überfordert. Die Jüdinnen
wurden weiter nach Bergen-Belsen überstellt. Viele überlebten….viele
aber auch nicht."(Aus Junge Welt, 3. August 2007) [Ulrich
Sander: "Mörderisches Finale - NS-Verbrechen bei
Kriegsende", S.138]
Unzureichende Aufarbeitung der
Geschichte
Bei der Aufarbeitung unserer Vergangenheit vermisst man die
sprichwörtlich deutsche Gründlichkeit. Ob Regierung, Parlament,
Justiz oder Behörden, die Alleinschuld schiebt man gerne auf Hitler
und seine Helfershelfer in Nazikreisen. Die Drahtzieher der
Industrie und der Finanzwelt im Hintergrund werden geschont, so dass
man eher von einer Gründlichkeit des Vertuschens reden kann.
Verständlich, da an der Macht dieser Klasse im Westen Deutschlands
kaum gerüttelt wurde. In Guido Knopps "Die Deutschen im 20.
Jahrhundert" wird man vergeblich die Begriffe
"Krupp", "Thyssen", "Flick" und
"IG Farben" im Register suchen.
Hitler war kein Zufall der Geschichte. Er kam auch nicht aus dem
Gully, wie das einmal der Chefredakteur einer westdeutschen Zeitung
schrieb. Er war die konzentrierte Zusammenfassung der Ansprüche der
Klasse der Mächtigsten des Kapitals. Die Hitler-Diktatur, wenn der
Begriff seine Berechtigung haben sollte, war die Einheitsfront aus
Großkapital, Militarismus und Nazipartei zur Zerschlagung der
organisierten Arbeiterbewegung und zur Ausplünderung anderer
Völker.
Schluss
Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit unserer jüngsten
Geschichte? - Ein wichtiger Maßstab für die Beurteilung der
aktuellen Ereignisse ist die Vergangenheit. Die Gegenwart ist zu
kurz und die Zukunft hat noch nicht stattgefunden. Bei der
Beurteilung rechtskonservativer Kreise des Kapitals sollten wir uns
keinen Illusionen hingeben. Sie halten sich heute schon wieder
Kettenhunde in Form von nazistischen Schlägertrupps, die
gegebenenfalls losgelassen werden, um Angst und Schrecken zu
verbreiten.
Der 1.September 1939 ist unser Mahn- und Gedenktag. Wir lassen
ihn uns nicht nehmen, auch nicht von den Nachkommen der Herrenrasse,
die Deutschland besudelt hat. In Dortmund werden wir die Aufmärsche
der Helden zur Verfälschung unseres Gedenktages nicht zulassen.
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