Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

25.05.2010

Krupp organisierte die Finanzierung des Nazi-Regimes und zog Profite aus der Barbarei

Die Geschichte der Krupps im NS-Faschismus

So oft das Blut wie Wasser floss,
Sprachst du ein fromm Gebet
Und riefest: Gott ist groß
Und Krupp ist sein Prophet!

Und hat man dann das Heldentum
Mit froher Hand gepflegt -
Wer heilt die Wunden, die der Ruhm
Daheim der Freiheit schlägt?

[Georg Herwegh (1817 - 1875)]

Unzureichende Aufarbeitung der Geschichte

Wenn von Krupp die Rede ist, wird der Krieg weggelassen; wenn von Krieg die Rede ist, wird Krupp weggelassen, als hätte es nie die "Waffenschmiede des Reiches" gegeben. So kann man etwas vereinfacht die offizielle Behandlung unserer Vergangenheit in der Bundesrepublik charakterisieren. Beides wird bereinigt. Der Krieg findet nur rein militärisch statt; die Überfälle auf fremde Völker heißen wertneutral Feldzüge. Die Profiteure des Krieges sind eben nur Geschäftsleute, die die Erhaltung ihres Betriebes und der Arbeitsplätze im Sinn haben. In Guido Knopps "Die Deutschen im 20. Jahrhundert" wird man vergeblich die Begriffe "Krupp", "Thyssen", "Flick" und "IG Farben" im Register suchen. Dafür kommt in dem Buch viel "Mauer und Stacheldraht" vor, womit man die DDR einseitig für den Kalten Krieg im gespaltenen Deutschland verantwortlich macht. "Flucht und Vertreibung" beginnen nicht 1933 mit der Verfolgung unliebsamer Personen, die in Nazi-Deutschland keine Heimstätte mehr hatten und mit Gefangenschaft, Folter und Tod bedroht waren, sondern erst, als die Rote Armee die Eindringlinge vertrieb. Ursachen und Folgen werden vertauscht.

Bei der Aufarbeitung unserer Vergangenheit vermisst man die sprichwörtlich deutsche Gründlichkeit. Ob Regierung, Parlament, Justiz oder Behörden, die Alleinschuld schiebt man gerne auf Hitler und seine Helfershelfer in Nazikreisen. Die Drahtzieher der Industrie und der Finanzwelt im Hintergrund werden geschont, so dass man eher von einer Gründlichkeit des Vertuschens reden kann. Verständlich, da an der Macht dieser Klasse im Westen Deutschlands kaum gerüttelt wurde. Sehr treffend stellte das Internationale Militärtribunal fest:

"Die Diktatur, hinter der sich diese Menschen zu verschanzen suchten, war ihre eigene Schöpfung. Von dem Wunsche getrieben, sich selbst eine Machtstellung zu schaffen, haben sie das System aufgebaut, von dem sie ihre Befehle empfingen. Der Fortbestand dieses Systems hängt von ihrer dauernden Unterstützung ab." (IMT, Bd. XIX, S. 515) [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i09]

Hitler war kein Zufall der Geschichte. Er kam auch nicht aus dem Gully, wie das einmal der Chefredakteur einer westdeutschen Zeitung schrieb. Er war die konzentrierte Zusammenfassung der Ansprüche der Klasse der Mächtigsten des Kapitals. Die Hitler-Diktatur, wenn der Begriff seine Berechtigung haben sollte, war die Einheitsfront aus Großkapital, Militarismus und Nazipartei zur Zerschlagung der organisierten Arbeiterbewegung und zur Ausplünderung anderer Völker.

Nicht erst seit 1933 interessierten sich große Konzerne für Hitler. Sie versprachen sich von seiner Nazipartei die Verwirklichung ihrer Pläne für eine Neuordnung Europas und lukrative Rüstungsgeschäfte. Die anfängliche Zurückhaltung einiger Industrieller bezog sich lediglich auf die Kompetenz und Fähigkeit des Gefreiten des 1. Weltkrieges. Aber die Bedenken waren schnell zerstreut.

Wenn sich manche Forscher und besonders der Amerikaner H. A. Turner jr. darauf berufen, dass maßgebende Industrielle wie etwa Krupp die NSDAP als Partei erst relativ spät unterstützt hätten, dann verkennen sie dabei den Charakter des Faschisierungsprozesses, bei dem die verschiedenen Methoden miteinander kombiniert wurden. Daher kann man nicht jene, die zunächst die NSDAP noch nicht an der Regierung sehen wollten, von der Verantwortung für die Faschisierung insgesamt freisprechen; denn die offene, blutige Diktatur blieb für alle Gruppen in Großindustrie, Banken und Großgrundbesitzer als letztes Mittel parat. Es profitierten auch die, die zunächst mehr auf die Reichswehr oder die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) des ehemaligen Krupp Direktors Hugenberg setzten, von der NSDAP als terroristischer Massenbasis und als Alternative zur schrittweisen Faschisierung. [Detlev Peukert: Ruhrarbeiter gegen den Faschismus, Seite 12/13]

Die Naziideologie enthält so gut wie keine konzeptionellen Gedanken, die nicht schon vorher in konservativen und deutschnationalen Ideologien der bürgerlichen Rechtsparteien enthalten gewesen wären. [Kurt Bachmann: "1933", Seite 16]

Die Krupps waren keine Demokraten

Ob Kaiser-Wilhelm-Monarchie oder Hitler-Diktatur, sie waren Förderer und Nutznießer und mitverantwortlich am Massenmord zweier Weltkriege. Inzwischen sind vielen Deutschen die Begriffe "Holocaust" und "Auschwitz" vertraut. Aber Auschwitz war nur durch Krieg möglich, d. h. der Weg nach Auschwitz musste erst durch die Naziwehrmacht mit Kruppschen Waffen freigeschossen werden, damit der Großkonzern seine Zünder-Fabrik von Häftlingen bauen und mit "Vernichtung durch Arbeit" bedienen konnte.

Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav, Wehrwirtschaftsführer,

*7.8.1870 Den Haag als Sohn des badischen Ministerpräsidenten Halbach. Legationsrat. 1906 Heirat der Alleinerbin der Friedrich Krupp AG, Bertha Krupp, seitdem Träger des Namens Krupp. Ab 1909 Leiter des Unternehmens. Förderer der Rassenhygiene, der Kaiser-Wilhelm-Institute für Hirnforschung und für Psychiatrie. 1911 (bis 1937) Vizepräsident Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), Senator KWG. 1931 (bis 1934) Vorsitzender des Reichsverbands der Deutschen Industrie. Mai 1933 Aufruf zur Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft (Weiß). 1934 in der Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht als Führer des Reichsstandes der Deutschen Industrie Mitunterzeichner eines Aufrufs (faks. Abdruck Poliakov, Diener): "Über dem Leben der Nation und seinen immer wechselnden Erscheinungsformen steht das Recht, das geboren aus Rasse und Seele des Volkes, ewige Bindung der Nation an die ihr eigenen Werte bedeutet" Im Generalrat der Wirtschaft (Führerlexikon). 1940 von der Deutschen Arbeitsfront als Nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichnet. Der Taschenbrockhaus: "Nach der nationalsozialist. Revolution wurden die Kruppwerke wieder die Waffenschmiede des Reiches. In Würdigung seiner Verdienste um die wirtschaftlichen und sozialen Leistungen seines Betriebes und um die Rüstung der deutschen Wehrmacht wurde K. v. B. u. H. vom Führer zum 70. Geburtstag im August 1940 mit dem Goldenen Ehrenzeichen der NSDAP, dem Adlerschild des Deutschen Reiches [höchster Wissenschaftspreis] und dem Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet und als erster deutscher Betriebsführer zum Pionier der Arbeit ernannt.", (Goebbels am 8. 8. 1940 im Tagebuch: "Eine reiche Ehrung. die er sich aber wohlverdient hat." Angeklagt im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher. wegen (tatsächlich) schwerer Erkrankung außer Verfolgung gesetzt. †16.1.1950 in seinem Jagdhaus in Blühnbach bei Salzburg. [Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945?, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2003 ISBN 3-10-039300-0]

Krupp von Bohlen und Halbach, Alfried, Wehrwirtschaftsführer,

* 13.8.1907 Villa Hügel bei Essen. Ältester Sohn von Gustav Krupp. 1931 Förderndes Mitglied SS. 1935 NS-Fliegerkorps, Standartenführer (Gall, S. 464). 1936 Vorstandsmitglied, 1938 Mitglied des Direktoriums, Leiter der Rüstungsabteilung, 1938 NSDAP. 1941 Mitbegründer der Reichsvereinigung Kohle (Weiß). 1942 in Speers Rüstungsrat und stellv. Vorsitzender der Reichsvereinigung Eisen. April 1943 Alleininhaber des Vorsitzes des Direktoriums. Dezember 1943 Alleininhaber des Krupp-Imperiums. Am 31.7.1948 im Krupp-Prozeß wegen Ausbeutung von Zwangsarbeitern sowie Plünderung von Wirtschaftsgütern in besetzten Gebieten zu 12 Jahren Haft verurteilt. Entlassung Landsberg 1. 2.1951 mit feierlicher Erklärung, nie wieder Waffen zu produzieren. Eidesstattliche Erklärung zum Prozeß (zit. n. Poliakov, Juden): "Als ich über die antijüdische Politik der Nazis befragt wurde und was ich davon wüßte, sagte ich, daß ich nichts von der Ausrottung der Juden gewußt habe und weiterhin daß: >Wenn man ein gutes Pferd kauft, muß man ein paar Mängel hinnehmen.<" 1955 Firmenleitung, 1963 Senator MaxPlanck-Gesellschaft. †30.7.1967 Essen. Lit.: Gall. [Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945?, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2003 ISBN 3-10-039300-0]

Maximalprofite durch Rüstung und Krieg

Die Aufrüstung Hitlerdeutschlands sicherte auch dem Krupp-Konzern riesige Profite. Nach den Angaben des USA-Hauptanklägers im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß, Jackson, stiegen in den Jahren 1935 bis 1941 die offiziell ausgewiesenen, in Wirklichkeit aber wesentlich höheren Gewinne nach Abzug der Steuern, Geschenke und Reserven auf fast das Doppelte an, und zwar von 57 Millionen auf 111 Millionen RM. [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i08]

Den Versailler Vertrag unterlaufen

Die Rüstungsmonopole fanden sich mit der Niederlage im ersten Weltkrieg keinesfalls ab. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach bestätigte 1944 in einer Rede die heimliche "Wehrhaftmachung" unmittelbar nach dem Kriege:

"Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen Wehrwirtschaft, daß sie in diesen schlimmen Jahren nicht untätig gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen, um zu gegebener Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereitzustehen… Nur durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen Unternehmertums … konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluß an die neuen Aufgaben der Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann auch die ganz neuen vielfältigen Probleme gemeistert werden." (IMT, Bd. I, S. 203 f.) [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i03]

Einem Oberst Kühn verdanken wir die Kenntnis folgenden Vorgangs: Derselbe Krupp führte am 7. Juni 1933 dem Reichswehrminister einen Krupp-Kampfpanzer zur Erprobung vor, der aufgrund von Erfahrungen des britischen Rüstungskonzerns Vickers Armstrong "seit einigen Jahren entwickelt worden war, gemeinsam mit dem Reichswehrministerium". So wurde in der Weimarer Republik der Versailler Vertrag sehr frühzeitig unterlaufen. Aus der streng geheim gehaltenen Besprechung, so heißt es dort wörtlich, geht hervor, dass am 22. August 1933 bereits 100 Panzer bei Krupp bestellt wurden. Daimler-Benz, Henschel und MAN Nürnberg erhielten Probeaufträge für 3 bis 5 Panzer des Kruppschen Modells. Bei der Besprechung war Rheinmetall-Borsig ebenfalls zugegen. "Das Aggregat läuft unter der Bezeichnung: Landwirtschaftlicher Schlepper" Man sieht, Krupps engste Verbindung zahlte sich rechtzeitig aus. [Kurt Bachmann: "1933", Seite 44-45]

Hitler und 27 Industrielle: Geheimtreffen am 20. Februar 1933

Ihre Angst vor "jeder Massenbewegung", ihre Profitgier und die Sicherung ihrer Herrschaft war die Triebkraft, Hitler an die Macht zu bringen. Einmal an der Macht flossen gewaltige Summen in die Parteikassen der Nazis.

Das Geheimtreffen vom 20. Februar 1933 war eine Zusammenkunft Adolf Hitlers mit 27 Industriellen in Hermann Görings Amtssitz im Reichstagspräsidentenpalais zur Finanzierung des Wahlkampfes der NSDAP. Auf diesem Treffen wurde für den laufenden Wahlkampf zur Reichstagswahl am 5. März 1933, mit der die NSDAP zusammen mit der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot die notwendige Zweidrittelmehrheit für das Ermächtigungsgesetz erreichen wollte und die sich als letzte Mehrparteien-Reichstagswahl des Deutschen Reichs erweisen sollte, ein Wahlfonds von drei Millionen Reichsmark für die NSDAP und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot beschlossen. 75 % der Summe ging an die NSDAP. Davon sind mehr als zwei Millionen Reichsmark direkt als Einzahlung an die NSDAP nachweisbar. [http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimtreffen_vom_20._Februar_1933]

Hitler überzeugte die anwesenden Industriellen von der Notwendigkeit des Kampfes gegen Demokratie und Kommunismus:

"Wir stehen heute vor folgender Situation: Weimar hat uns eine bestimmte Verfassungsform aufoktroyiert, mit der man uns auf eine demokratische Basis gestellt hat. Damit ist uns aber keine leistungsfähige Regierungsgewalt beschert worden. Im Gegenteil, der Kommunismus mußte sich nach dem, wie ich eingangs die Demokratie kritisiert habe, immer tiefer in das Volk hineinbohren." Dann erklärte Hitler, er brauche die gesamten Machtmittel des Staates, um den Kommunismus niederzuwerfen: "Wir müssen erst die ganzen Machtmittel in die Hand bekommen, wenn wir die andere Seite ganz zu Boden werfen wollen. […] Wir müssen in Preußen [Anm.: zeitgleiche Landtagswahl] noch 10, im Reich noch 33 Mandate erringen. Das ist, wenn wir alle Kräfte einsetzen, nicht unmöglich. Dann beginnt erst die zweite Aktion gegen den Kommunismus." [http://de.wikipedia.org/wiki/Geheimtreffen_vom_20._Februar_1933]

Hier zeichnete sich besonders Krupp von Bohlen und Halbach aus, der zu den 27 anwesenden Teilnehmern gehörte und in seiner Dankesrede sich zum Privateigentum und zur Wehrhaftigkeit bekannte.

Krupp organisierte die Finanzierung des Nazi-Regimes

Als nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 der Naziterror wütete, Kommunisten, viele Antifaschisten bereits verfolgt wurden, die Kriegsvorbereitungen durch die Bildung eines geheimen "Reichsverteidigungsrates" am 4. April 1933 begannen, war es Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, der die Finanzierung der Nazis übernahm. Krupp befand sich in der Tradition seiner Familie, die bereits im 19. Jahrhundert für die preußisch-deutschen Monarchien Waffen schmiedete.

Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft

Die Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft war eine am 1. Juni 1933 eingerichtete Spende von der Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und dem Reichsverband der Deutschen Industrie zugunsten der NSDAP. […] Angeregt wurde diese Spendenaktion für die NS-Bewegung von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und Martin Bormann. Krupp führte das dazu installierte Kuratorium. Zu den Mitbegründern der Kooperative "auf Gegenseitigkeit" (bpb) gehörte der Ex-Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht.[…] Die abzuführende Spende wurde nach der Gesamtlohn- und -gehaltssumme berechnet. Damit wurden also die Lohnnebenkosten der Firmen erhöht. Die prozentuale Belastung schwankte zw. 1 % und 3,5 % der gesamten Lohnkosten eines Betriebes. Bis 1945 kamen so 700 Millionen Reichsmark an Spenden zusammen. [http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf-Hitler-Spende_der_deutschen_Wirtschaft]

Krupp, IG-Farben, Flick, Thyssen und andere zahlten über die "Adolf-Hitler-Spende" der Nazipartei von 1933 bis 1945 jährlich über 60 Millionen RM. Allein die Dresdner Bank zahlte im Jahre 1934 120000 RM.

Außer den Zahlungen für die "Hitler-Spende" machten die Rüstungsmonopole große finanzielle Zuwendungen an die SS und andere Organe des nazistischen Terrorapparates. Zu den eifrigsten Geldgebern und Förderern der Nazi-Partei zählte Friedrich Flick. Neben ständigen Zahlungen an den sogenannten Freundeskreis Himmler - sie machten jährlich über 100000 RM aus - zahlte Flick große Summen zur "Hitler-Spende" sowie an die örtlichen Stellen der Nazi-Partei. So überwies z. B. das zu seinem Konzern gehörende Stahlwerk Riesa in der Zeit vom 24. Februar 1933 bis Ende 1934 über 34000 RM an örtliche SA- und SS-Verbände. Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 30. September 1938 sicherte der Vorstandsvorsitzende der IG-Farben, Hermann Schmitz, Hitler weitgehende finanzielle Unterstützungen zu: "Unter dem Eindruck der von Ihnen, mein Führer, erreichten Heimkehr Sudetendeutschlands ins Reich, stellt Ihnen die IG-Farbenindustrie Aktiengesellschaft zur Verwendung für das sudetendeutsche Gebiet einen Betrag von einer halben Million Reichsmark zur Verfügung." (Nürnberger Prozeß, Fall VI, Prozeß gegen Carl Krauch und andere Vertreter des IG-Farben-Konzerns, Dok. NI 2795, im folgenden NG, IG-Farben-Prozeß) Insgesamt stellte der IG-Farben-Konzern (ohne Tochtergesellschaften) der Hitlerclique in den Jahren von 1933 bis 1945 über 84 Millionen RM zur Verfügung. [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i01]

Die Erwartungen der Industrie wurden erfüllt

Hitler beeilte sich, jene Versprechen, die ihn letzten Endes an die Macht gebracht hatten unmittelbar nach der "Machergreifung" zu bekräftigen. In einer Ansprache vor den Befehlshabern des Heeres und der Marine verkündete er, erst knapp eine Woche Reichskanzler, die Hauptziele seiner Politik: "Im Innern:…Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stil…Straffste autoritäre Staatsführung. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie. Nach außen: Kampf gegen Versailles…Aufbau der Wehrmacht als wichtigste Voraussetzung der Wiedergewinnung der politischen Macht Wie soll die politische Macht gebraucht werden? Vielleicht Erkämpfung neuer Exportmöglichkeiten, vielleicht - und wohl besser - Eroberung neuen Lebensraumes im Osten und dessen rücksichtslose Germanisierung…" (Zitiert nach: U. Hörster Philipps, Wer war Hitler wirklich? Köln 1978. S. 173 f.) [Michael Bartsch / Hans-Frieder Schebesch / Rainer Scheppelmann, Der Krieg im Osten 1941-1945, 1981 by Pahl-Rugenstein Verlag, S. 43]

Die Erwartungen, die führende Vertreter des deutschen Großkapitals in die Hitlerregierung gesetzt hatten, sollten sich bald erfüllen. Nachdem das deutsche Reich Ende Oktober des Jahres 1933 die Abrüstungskonferenz in Genf verlassen hatte und aus dem Völkerbund ausgetreten war, telegrafierte Krupp: "Auf dem vorgezeichneten Weg folgt Ihnen in unbeugsamer Entschlossenheit inmitten der einigen Nation die deutsche Industrie."

Mit Krupp, dem damaligen Vorsitzenden des Reichsverbandes der deutschen Industrie, stellten sich die einflussreichsten Kreise der deutschen Industrie hinter eine Politik, die ihre eigenen langjährigen Expansionszielen in allen wichtigen Punkten entsprach. Dieser Vorgang ist jedoch mit der sogenannten "Gleichschaltung" anderer gesellschaftlicher Bereiche nicht vergleichbar.

Die Wirtschaft hatte sich nicht, wie es so oft heißt, "den Plänen Hitlers zu fügen". sondern sie selbst fügte sich äußerst wirkungsvoll in die Politik des faschistischen Staates ein.

In der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik wird all zu oft verdrängt, dass die großen Monopole der Stahl-, Elektro- und Chemieindustrie die hauptsächlichen Entwicklungslinien der Aufrüstung des III. Reiches selber bestimmten. Sie gaben die entscheidenden Phasen dieser Entwicklung vor und dirigierten die Durchführung der gewaltigen Rüstungsprogramme. Organisationen wie die "Reichsgruppe Industrie" (oder später der "Wehrwirtschaftsstab") und die vielfachen personellen Verbindungen mit staatlichen Stellen und führenden Positionen im Parteiapparat wurden zu Hebeln einer Politik, die den Krieg als unausweichliche Konsequenz beinhaltete.

Der "unabänderliche Wille des Führers" war häufig nichts anderes als die demagogische Aufbereitung von Programmen und Perspektiven, die durch die Planungsstäbe der großen Konzerne erarbeitet worden waren. [Michael Bartsch / Hans-Frieder Schebesch / Rainer Scheppelmann, Der Krieg im Osten 1941-1945, 1981 by Pahl-Rugenstein Verlag, S. 43]

"Führer und Gefolgschaft"

Krupp von Bohlen und Halbach legte im Auftrag und im Namen des "Reichsverbandes der Deutschen Industrie" am 25. April 1933 der NS-Regierung einen "Plan zur Neugestaltung der deutschen Wirtschaft" vor, um Hitlers "wirtschaftliche Maßnahmen und politische Notwendigkeiten in Einklang zu bringen".

Dieser "Reichsverband der Deutschen Industrie" hatte das Führerprinzip auch für die eigene Organisation übernommen. An deren Spitze setzten sich die größten Monopolherren selbst. Die mächtigsten Führungskräfte der Großindustrie wie der, Großbanken übernahmen so mit den Führern der NSDAP die Schalthebel der Macht. Die Unternehmer wurden zu "Führern" ihrer Betriebe nach dem Motto "Führer und Gefolgschaft", einem mittelalterlichen Begriff, der nun auf die modernen Industriebetriebe übertragen wurde. Sie wurden nicht selten alsbald als NS-Wehrwirtschaftsführer aktiv für die faschistische Diktatur tätig. So verstanden sie das von Bankier Freiherr von Schroeder verkündete Prinzip der "Selbstlenkung der Wirtschaft". [Kurt Bachmann: "1933", Seite 44]

Organisierte Kriminalität

Internationales Militärtribunal: Beute- und Raubzüge

Dieses Gericht befaßte sich auch eingehend mit der Teilnahme der Krupp-Manager an den Beute- und Raubzügen in eroberten Ländern. Wo etwas zum Konzern Passendes zu holen war, stellten sich dessen Führungskräfte ein. So richteten sie, mit den IG Farben rivalisierend, 1940 ihr Interesse auf die Nickellager in Norwegen und Finnland. Sie agierten, als es 1941 um den Zugriff auf die Chrom- und Nickelgruben in Serbien bzw. Griechenland ging, wo sie auch auf italienische Konkurrenz trafen. Erhielten die Aktionen dieses wie anderer deutscher Konzerne auch ihre justizförmigen Verkleidungen, so waren sie doch nur durch das mit Kriegsgewalt veränderte Kräfteverhältnis gegenüber den ausländischen Rivalen möglich geworden. Die Selbstverständlichkeit, mit der die machtbewußten Wirtschaftsführer in Feindesland operierten, sprach aus der Aussage eines Krupp-Direktors, der als Zeuge auftrat: Der Hauptgesichtspunkt bei dem Bestreben der Firma Krupp auf dem Balkan sei gewesen, daß sie "eigene Erzgruben haben wollte, die dem unnatürlichen Zustand ein Ende bereiten würden, daß eine Firma von dem Ausmaße Krupps keine eigenen Gruben besaß. Die Erzanfälle aus diesen Gruben sollten verläßlich für Krupp zur Verfügung stehen." Einfacher noch wurde mit dem Beutegut in der Sowjetunion verfahren. Was an Industriebetrieben von Bedeutung war, wurde zum Sondervermögen des Reiches erklärt und erhielt zunächst "Paten", die sie in Gang setzen und betreiben sollten. Dafür wurde ihnen spätere Berücksichtigung bei der endgültigen Regelung der Eigentumsverhältnisse in Aussicht gestellt. Krupp wurde "Pate" für die Neue Maschinenfabrik in Kramatorsk und für Asowstahl I und II sowie das Röhrenwerk "Kuibyschew" in Mariupol. Zum Krupp-Konzern gehörte auch eine Zünderfabrik im Umfeld von Auschwitz, für die das Konzentrations- und Vernichtungslager die Arbeitssklaven lieferte. [Kurt Pätzold: "Installateure und Profiteure der Macht", jungeWelt v. 08.12.2007]

"Neuordnung Europas"

Mit dem Überfall auf Polen und danach wandte sich der deutsche Faschismus zunächst gegen jene Länder, die in Fehleinschätzung des Kräfteverhältnisses das sowjetische Angebot zur kollektiven Abwehr der Aggression ausgeschlagen hatten. In Polen, danach in Norwegen, Dänemark, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Jugoslawien und Griechenland demonstrierte der deutsche Faschismus, wie die "Neuordnung Europas" aussehen sollte. Neben den systematischen Terror und die Ausrottungskampagne, besonders gegen das polnische Volk, trat die wohlorganisierte Ausplünderungspolitik durch die deutschen Großunternehmen. Besonders die Schwerindustriellen des Ruhrgebietes, der Flick-Konzern und die IG Farben begannen die Beute, darunter Fabriken und Gruben in Oberschlesien, Belgien und Lothringen, sofort nach den ersten militärischen Erfolgen unter ihre "Treuhandschaft" zu nehmen.

[Das Schicksal Robert de Rothschilds]

Auch der Krupp-Konzern stand beim Beutemachen nicht zurück. Erschütternd ist zum Beispiel das Schicksal Robert de Rothschilds, der sich standhaft geweigert hatte, sein Traktorenwerk (wichtig für die Panzerproduktion!) in Liancourt an Krupp abzutreten. Zunächst wurde er bei den Verhandlungen wegen seiner jüdischen Herkunft unter Druck gesetzt, um dann, als immer noch kein "freiwilliger" Vertrag zustande gekommen war, nach Auschwitz abtransportiert zu werden. Der Krupp-Biograph Manchester resümiert die eindeutigen Beweise im Kriegsverbrecherprozess gegen Krupp: "Rothschild musste in die Gaskammer, damit Krupp sich bereichern konnte."

[Widerlegung der "Totalitarismus"-Theorie]

Die veröffentlichten Dokumente über die Initiative und selbsttätige Rolle der großen Monopole bei der Ausplünderung der unterworfenen Völker Europas verweisen jene Behauptungen ins Reich der Legende, die in der Person Hitlers oder im Rassenwahn des Nationalsozialismus die Hauptursache für die Barbarei der deutschen Kriegführung suchen. Sie widerlegen auch die "Totalitarismus"-Theoretiker, die in den großen Konzernen nur abhängige Ausführungsorgane des totalitären Staates sehen wollen. In Wirklichkeit haben die Großbanken, die führenden Konzerne der Schwerindustrie, der Chemie und Elektrobranche, nicht nur die Beseitigung der Weimarer Republik sowie die Aufrüstung betrieben, die den Krieg unvermeidbar machte; sie haben nicht nur im Krieg ungeheure Gewinne erzielt, sondern haben auch die Ausplünderung Europas entscheidend mit geplant und mit organisiert. [Detlev Peukert: "Ruhrarbeiter gegen den Faschismus" S. 263/264]

"Vernichtung durch Arbeit"

Krupp wurde bevorzugt

Dabei steht fest, daß die ersten Polen, die bei Razzien auf den Straßen Polens zusammengetrieben worden waren, im Januar 1942 in der Gußstahlfabrik der Krupps nach Essen gebracht worden sind, daß zahlreiche polnische Gefangene in den Rüstungsbetrieben der Krupps in Elmag eingesetzt waren und daß die Firma Krupp im Jahre 1943 in ihren Betrieben polnische Kinder im Alter von 12 bis 17 Jahren beschäftigt hat. [Jerzy Sawizki: "Als sei Nürnberg nie gewesen", Deutscher Zentralverlag Berlin 1958, S. 139]

Ausbeutung von KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern

In den 81 Fabriken des Krupp-Konzerns arbeiteten von 1940 bis 1945 69898 Zwangsarbeiter, 4978 KZ-Häftlinge und 23076 Kriegsgefangene. Allein in Essen waren im August 1943 11557 "Fremdarbeiter" und 2412 Kriegsgefangene für Krupp eingesetzt. Neben dem nahe Auschwitz neuerbauten Kruppwerk, das schon in der Standortwahl von dem Willen zeugte, nicht nur für einige Kriegsjahre, sondern für lange Zeit billige Arbeitskraft aus dem KZ zur physischen Vernichtung "verwenden" zu können, waren auch zwei Außenkommandos des KZ Buchenwald in Essen stationiert, darunter ein "SS-Arbeitskommando Friedrich Krupp. Essen" mit 522 jüdischen Frauen. Die Leiden der Kruppschen Zwangsarbeit deutete selbst ein Arztbericht an den Kruppdirektor Lehmann an:

"Der allgemeine Gesundheits- und Ernährungszustand in sämtlichen russischen Kriegsgefangenen-Lagern ist durchweg ungünstig ( … ) Es wurde mir in allen Russenlagern von Wehrmachtsangehörigen erklärt, dass die Verpflegung mengenmäßig unzureichend sei ( ... ) Kontrollierende Wehrmachtsärzte haben erklärt, dass sie nirgends einen solchen schlechten allgemeinen Zustand bei den Russen angetroffen hätten, als in den Friedrich-Krupp-Lagern."

Auf eine ärztliche Vorhaltung, dass die russischen Kriegsgefangenen nicht von einer Tagesration von 300 Gramm Brot um vier Uhr morgens leben könnten, erwiderte Krupp-Direktor Lehmann nur, "dass die russischen Kriegsgefangen nicht an die westeuropäische Ernährung gewöhnt werden dürften.

Die Behandlung der Kruppschen Zwangsarbeiter war derart unmenschlich, dass Anfang 1942 selbst Proteste des Oberkommandos der Wehrmacht laut wurden.

Eine Untersuchungskommission beim "Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz" beleuchtete Ende 1942 kritisch die Zustände in den sogenannten Ostarbeiterlagern des Ruhrgebiets. Dabei war sie gezwungen, um der NS-Führung ein ansatzweise realistisches Bild der Lage geben zu können, Kritik in einer selbst für einen geheimen Bericht bemerkenswerten Schärfe zu üben:

"Die Stimmung der Ostarbeiter war mit einigen wenigen Ausnahmen ( ... ) im Allgemeinen eine unzufriedene bis zum Teil sogar katastrophale. So wird zum Beispiel das Bild der Trostlosigkeit und Verelendung in dem Lager des Bochumer Vereins' nie ausgelöscht werden können. ( ... ) Bochumer Verein: Arbeiter furchtbar heruntergekommen. Stimmung katastrophal, Lager vernachlässigt und dreckig, Essen unzureichend. Prügel. Familien auseinandergerissen. Fluchtversuche sogar von Frauen. Essen als Prämie erst Leistung, dann Betreuung. Keinerlei Verständnis bei Leitung." (Der Bochumer Verein' war übrigens sein sogenannter Nationalsozialistischer Musterbetrieb! Anmerkung. D. Peukert) [Detlev Peukert: "Ruhrarbeiter gegen den Faschismus" S. 304/305]

Barbarische Strafmethoden

Der Terror gegen die ausländischen wie die deutschen Arbeiter wurde im Laufe des Krieges noch weiter gesteigert. Instrument für die innerbetriebliche Polizeiherrschaft war der Werkschutz, der sich - mit Karabinern, Pistolen und Knüppeln bewaffnet - als Schlägertrupp besonders hervortat.

Bei Krupp in Essen hatte man sich zur Bestrafung missliebiger Arbeitssklaven einen spindähnlichen eisernen Schrank angeschafft, in den die Opfer oft stundenlang, ja tagelang, eingesperrt wurden, ohne Bewegungsmöglichkeit, fast ohne Luft. Zur Strafverschärfung goss man im Winter durch ein Loch an der Oberseite noch kaltes Wasser auf die Wehrlosen. Es ist bezeugt, dass selbst schwangere Frauen von dieser Tortur nicht verschont blieben. [Detlev Peukert: "Ruhrarbeiter gegen den Faschismus" S. 306]

Das Verbrechen an 520 ungarischen Jüdinnen

Otto Köhler berichtet über ein undatiertes Massenverbrechen der Industrie: "Krupp beispielsweise, das berichtete der US-amerikanische Chefankläger im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess, Benjamin B. Ferencz in ‚Lohn des Grauens', hatte 2.000 Männer angefordert und musste sich mit 520 ungarischen Jüdinnen, zwischen zwölf und 25 Jahre alt, zufrieden geben. Sie hatten vorher mit ansehen müssen, wie ihre Eltern und Verwandten in die Gaskammern geschickt wurden. Bei Krupp war man mit der gelieferten Ware, den ‚Stücken', wie man sie dort nannte, unzufrieden. Die Mädchen werden mit Reitpeitschen zur Arbeit angetrieben, einige totgeschlagen. Als die US-Truppen nach Essen vordringen, müssen die Mädchen verschwinden. Trotz aller Transportschwierigkeiten beschließt Krupp, die Mädchen, welche die Arbeit überlebt hatten, zur weiteren Veranlassung nach Buchenwald zu schicken. Bei Krupp und später im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess ging man davon aus, dass das Problem seine Endlösung gefunden habe. Doch die Tötungskapazitäten in Buchenwald waren kurz vor Kriegsende überfordert. Die Jüdinnen wurden weiter nach Bergen-Belsen überstellt. Viel überlebten….viele aber auch nicht." (Aus Junge Welt, 3. August 2007) [Ulrich Sander: "Mörderisches Finale - NS-Verbrechen bei Kriegsende", S.138]

Das KZ-Außenlager Buchenwald - SS-Arbeitskommando Krupp Essen Humboldtstraße

Es war mit Stacheldraht umzäunt und wurde von der SS streng bewacht. Die unmenschliche Ausbeutung der Frauen in den Krupp-Betrieben sowie die fürchterlichen Zustände in diesem KZ-Frauenlager waren u.a. Gegenstand der Verhandlungen im Prozess gegen Krupp vor dem Alliierten Gericht in Nürnberg. Noch lebende Insassen des Lagers traten dabei als Zeuginnen auf und berichteten darüber. Ein kurzes Zitat daraus:

"... Die weiblichen SS-Aufseher ohrfeigten und stießen die Mädchen, wenn sie langsam arbeiteten. Zur Strafe bekamen sie nichts zu essen und das Haar wurde ganz kurz geschnitten oder in Form eines Kreuzes rasiert. Die Firma Krupp bestimmte die Art und Menge der Arbeit und Überwachung.... Dass die Mädchen misshandelt wurden, war in der Firma allgemein bekannt…"

Am 24. August 1944 waren die Frauen nach Essen gekommen. Sie arbeiteten vorwiegend im Walzwerk II Ecke Bottroper/Helenenstraße. Zunächst mit der Straßenbahn gefahren, mussten sie später den 7 km langen Weg zu Fuß zurücklegen. Am 17. März 1945 wurden die Frauen in das KZ Bergen-Belsen überführt. Sechs von ihnen konnten vorher flüchten. Sie wurden von mutigen Essener Bürgern versteckt, verpflegt und am 10. April 1945 von einrückenden amerikanischen Truppen befreit. [Theo Gaudig - Hans Lomberg - Ernst Schmidt: "ESSEN anders gesehen", S. 41/ 42]

Krupp-Lager: Dechenschule, Nöggerathstraße, Krämerplatz

In der Dechenschule waren zeitweise 400 bis 500 Personen, hauptsächlich Ostarbeiter, untergebracht. Die Gestapo hatte auch ein Sonderlager eingerichtet, worin sie überwiegend Rechtsanwälte, Ingenieure, Bürgermeister, Gemeindesekretäre sowie katholische und evangelische Geistliche einsperrte. Am 23. Oktober 1944 kamen hier bei einem Bombentreffer 61 Gefangene ums Leben. Zur Erinnerung daran wurde am 28. Oktober 1962 der Gedenkstein enthüllt. - Über die Verhältnisse in den Krupp-Lägern folgende Auszüge aus einer eidesstattlichen Erklärung:

"…Am 1. Oktober 1942 wurde ich Oberlagerarzt in den Kruppschen Arbeiterlägern für Ausländer und hatte die medizinische Überwachung von allen Kruppschen Arbeiterlägern in Essen unter mir…"

"Ich begann meine Tätigkeit mit einer vollkommenen Inspektion der Läger. Zu dieser Zeit, Oktober 1942, fand ich die folgenden Zustände vor: Die Ostarbeiter und Polen …, welche in den Krupp-Werken in Essen arbeiteten, waren in folgenden Lägern untergebracht: Seumannstraße, Grieperstr., Spendlestraße, Reggstraße, Germaniastraße, Kapitän-Lehmann Straße, Dechenschule und Krämerplatz. Sämtliche Läger waren von Stacheldraht umgeben und waren eng bewacht. Die Zustände in allen diesen Lägern waren äußerst schlecht. Die Läger waren überfüllt. In einigen Lägern waren mehr als 3mal soviel Personen untergebracht, als gesunde Verhältnisse es erlauben. Die Insassen des Lagers Krämerplatz schliefen in Betten, von denen je 3 übereinandergestellt waren. In den anderen Lägern gab es doppelstöckige Betten. Die Vorschriften des Gesundheitsamtes verlangten einen Mindestabstand von 50 cm. In diesen Lägern aber war der Abstand zwischen den Betten allerhöchstens auf 20 bis 30 cm beschränkt.

Das Essen für die Ostarbeiter war vollkommen unzureichend. Die Ostarbeiter erhielten 1000 Kalorien pro Tag weniger als das Minimum für Deutsche. Während deutsche Arbeiter, die Schwerstarbeit leisteten, 5000 Kalorien pro Tag bekamen, erhielten die Ostarbeiter, die dieselben Arbeiten machten, nur 2000 Kalorien pro Tag. Die Ostarbeiter bekamen nur zwei Mahlzeiten pro Tag und ihre Brotration. Eine der Mahlzeiten bestand nur aus einer dünnen, wässrigen Suppe. Ich war mir nicht sicher, ob die Ostarbeiter das für sie vorgeschriebene Minimum auch tatsächlich erhielten. Später, 1943, als ich die Nahrung, die von den Küchen zubereitet wurde, prüfte, stellte sich in verschiedenen Fällen heraus, dass den Ostarbeitern Nahrungsmittel vorenthalten worden waren.

Der Versorgungsplan schrieb eine kleine Menge Fleisch pro Woche vor. Dafür durfte nur Freibankfleisch verwendet werden, welches entweder Pferde, tuberkulöses oder vom Tierarzt verworfenes Fleisch war.

Die Bekleidung dar Ostarbeiter war vollkommen unzureichend. Sie schliefen und arbeiteten in derselben Kleidung, mit der sie aus dem Osten gekommen waren. Fast alle von ihnen hatten keine Mäntel und waren daher gezwungen, ihre Decken als Mäntel in kaltem und regnerischem Wetter zu tragen. Die Schuhknappheit zwang viele Arbeiter, auch im Winter barfuß zu gehen. Eine Anzahl von Holzschuhen wurde angeschafft, jedoch waren diese von einer derartigen Beschaffenheit, dass die Träger fußkrank wurden…. Außer diesen Holzschuhen wurde den Arbeitern bis Ende 1943 keinerlei Kleidung gegeben. Dann erhielten einige von ihnen einen blauen Arbeitsanzug. ... "

"Die sanitären Zustände waren besonders schlecht. Am Krämerplatz, wo ungefähr 1200 Ostarbeiter in den Räumen einer alten Schule zusammengepfercht waren, waren die sanitären Zustände einfach unmöglich. Für die 1200 Personen standen nur 10 Kinderklosetts zur Verfügung. In der Dechenschule waren 15 Kinderklosetts für 400 bis 500 Ostarbeiter die dort untergebracht waren, vorhanden. Exkremente verseuchten den Fußboden dieser Toiletten. Die Waschgelegenheiten waren auch äußerst beschränkt. Die Versorgung mit medizinischen Instrumenten, Bandagen, Arzneien und anderen sanitären Bedarfsartikeln in diesen Lägern war auch vollkommen unzureichend. Daher konnten nur die allerschlimmsten Fälle behandelt werden In der Dechenschule hatten ungefähr 2,5 % der Ostarbeiter offene Tbc. Die Tataren und Kirgisen litten am meisten unter dieser Krankheit. Sobald sie davon betroffen wurden, brachen sie wie die Fliegen zusammen….Im Krankheitsfalle mussten die Arbeiter solange zur Arbeit gehen, bis sie von einem Lagerarzt arbeitsunfähig geschrieben wurden. In den Lägern Seumannstraße, Grieperstraße, Germaniastraße, Kapitän-Lehmann-Straße und Dechenschule wurde keine tägliche Sprechstunde abgehalten. Diese Läger wurden von den zuständigen Lagerärzten nur jeden 2. oder 3. Tag besucht. Infolgedessen mussten die Arbeiter trotz ihrer Krankheit bis zum Erscheinen eines Arztes zur Arbeit gehen…

Nach den Luftangriffen im März 1943 brachten wir viele Ostarbeiter direkt in den Krupp-Werken unter. Eine Ecke des Fabrikgebäudes, in dem sie arbeiteten, wurde durch Bretter abgetrennt. Die Arbeiter der Tagschicht schliefen dort während der Nacht und die der Nachtschicht während des Tages trotz des großen Lärmes, der dauernd in den Fabrikhallen herrschte.

Je mehr Luftangriffe auf Essen stattfanden, desto schlimmer wurden die Zustände. Am 28. Juli 44 berichtete ich meinen Vorgesetzten: ‚Die Revierbaracke Rabenhorst ist in einem derart schlechten Zustand, dass von einer Revierbaracke überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann…' Zu dem Revierdienst müssen auch die erkrankten Personen aus den Krupp-Betrieben herbeigeführt werden. Dieser Revierdienst wird wahrgenommen in der Bedürfnisanstalt einer ausgebrannten Wirtschaft außerhalb des Lagers. In dem früheren Pissoir sind die Lagerstätten für 4 französische Sanitäter. Für Revierkranke stehen zwei übereinanderstehende Holzbetten zur Verfügung. Im allgemeinen findet die ärztliche Behandlung im Freien statt. Bei Regenwetter muss sie in dem obengenannten engen Raum stattfinden.

"In einem Bericht vom 2. September 1944 schrieb ich an meine Vorgesetzten bei Krupp: ‚ .... Das Kriegsgefangenenlager in der Nöggerathstraße befand sich in einem schauderhaften Zustand. Die Leute wohnen in Aschenbehältern, Hundeställen, alten Backöfen und selbstgemachten Hütten. Für Unterbringung und Verpflegung zeichnet Krupp verantwortlich.... Im Lager sind noch 315 Gefangene untergebracht, 170 von diesen aber nicht mehr in Baracken, sondern in einem Durchlass der Eisenbahnstrecke Essen-Mülheim im Zuge der Grunertstraße. Dieser Durchlass ist feucht und für die dauernde Unterbringung von Menschen nicht geeignet. Der Rest der Kriegsgefangenen ist in 10 verschiedenen Betrieben der Krupp-Werke untergebracht'…..Meine Kollegen und ich berichteten die oben erwähnten Tatsachen an Herrn Ihn, Direktor der Firma Fried.-Krupp AG, Dr. Wiele, Hausarzt von Dr. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Oberlagerführer Kupke und manches mal an das Gesundheitsamt Essen. Außerdem weiß ich, dass diese Herren die Lager auch selbst besichtigten." (Aus der eidesstattlichen Erklärung des Dr. med. Wilhelm Jäger.) [Theo Gaudig - Hans Lomberg - Ernst Schmidt: "ESSEN anders gesehen", Seiten. 47-50]

Über das französische Kriegsgefangenenlager schreibt Dr. W. Jäger:

"Das französische Kriegsgefangenenlager in der Nöggerathstraße war durch einen Luftangriff zerstört worden, und die Insassen wurden für fast ein halbes Jahr in Hundehütten, Pissoiren und alten Backöfen untergebracht. Die Hundehütten waren l m hoch, 3 m lang und 2 m breit. Fünf Mann schliefen in einer jeden Hütte. Die Gefangenen mußten auf allen Vieren in diese Hundehütten hineinkriechen. In diesem Lager gab es keine Tische, Stühle oder Schränke. Es waren auch nicht genügend Decken vorhanden. Im ganzen Lager gab es kein Wasser. Die ärztlichen Untersuchungen, die stattfanden, mußten im Freien vorgenommen werden." (IMT, Bd. III, S. 497) [http://www.braunbuch.de/1-01.shtml#i05]

Widerstand

Das Nazi-System hatte sich einen Unterdrückungsapparat aus NSDAP, SS, SA, Gestapo, Polizei und Denunziantentum aufgebaut, dass mit Angst und Schrecken herrschte und Menschlichkeit zum Verbrechen werden ließ. So funktionierte das System. Dennoch gab es viele Beispiele von Widerstand innerhalb und außerhalb der Betriebe. Manchmal war es Brot oder Lebensmittelmarken, die die Gefangenen bei anderen vertrauenswürdigen Personen eintauschten, oder auch eine zustimmende Geste, die sie aufmunterte.

Solidarität mit ausländischen Arbeitern

Die Menschen im Ruhrgebiet sahen jeden Tag, wie KZ-Häftlinge, Fremdarbeiter und Kriegsgefangene behandelt wurden, und viele einfache Bürger haben im Geiste einfacher Humanität versucht, zumindest mit etwas Essen, einem Stück Brot oder Kleidung beim Kampf ums Überleben zu helfen, obwohl ihnen klar war, dass sie es auf einen eventuellen Zusammenstoß mit der Gestapo anlegten. So berichtete eine Essenerin, dass sie allein deshalb bei der Gestapo vorgeladen wurde, weil man sie im Gespräch mit einem "Fremdarbeiter" gesehen hatte. Auch über das Frauen-KZ bei Krupp in Essen wird berichtet: Die Sterblichkeit wäre sprunghaft gestiegen, wenn es nicht jene Kruppianer geben hätte, die ihr Brot mit den Jüdinnen teilten, ihnen aufmunternde Worte zuflüsterten . . ." [Detlev Peukert: "Ruhrarbeiter gegen den Faschismus" S. 311]