Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

25.05.2010

Wer zählt die Orte, wer kennt die Namen?

Kurzberichte "Verbrechen der Wirtschaft"

Autoren: Sebastian Schröder Wuppertal; Günther Gleising, Bochum; Manni Demmer †, Lesevrkusen

Im Gefolge des - durch die 1968iger Aktivitäten - veränderten Klimas, kam es in der Folgezeit zu Geschichtsbeiträgen, die begannen die Haltung der "Eliten" in der NS-Zeit kritisch zu hinterfragen. Doch welche Rolle "Wirtschaftskapitäne" damals spielten, darüber war noch immer größtenteils der Mantel des Schweigens gedeckt oder sie entpuppten sich als Reinwaschungsopuse. Auch wenn heute schon mehr darüber bekannt ist - und mit dem Buch auch ein wichtiger Beitrag versucht wird zu leisten - wer kennt die Orte und Namen?

Welche Fakten sind bekannt darüber, welche Rolle die "Domäne zwischen Kohle und Korn", das Imperium der Familie Werhahn in Neuss spielte? Jene Familie, die nach 1945 personell mit der Familie des Bundeskanzler verbandelt war. Immerhin ist bekannt , dass ein Mitglied der Familie bei den Nazis mitmachte. Allerdings über den Namen und die Art des Mitmachens wird von der Familie der Deckel gehalten. Ebenfalls in Neuss ansässig war die Firma Bauer und Schauterle, über deren Nazivergangenheit ebenfalls noch immer ein Schleier liegt.

Was ist bekannt über die Rolle, die in Leverkusen die Familie Wuppermann (Besitzer einer Metallfabrik) in der Nazizeit spielte?

Was gibt es an Informationen über Unternehmen in kleinen Orten, die in der Zeit von 1933 bis 1945 unter die Fittiche der Nazis krochen und besonders im Krieg Terror gegen "ihre" Zwangsarbeiter ausübten.

Was war bei der Firma Bürger in Haan im Rheinland, deren Chef auch Ortsgruppenleiter der NSDAP war?

Welche Hinweise gibt es auf Terror und Verbrechen im nationalsozialistischen Musterbetrieb Kiekert in Heiligenhaus im Kreis Mettmann? Der Name der Unternehmerfamilie war ja schon 1920 aufgefallen, als aus deren Reihen jene Soldateska nach Heiligenhaus/Velbert gerufen wurde, die der jungen Weimarer Republik den Garaus machen sollte - was durch den geeinten Widerstand der Arbeiterbewegung allerdings verhindert wurde.

Was war los bei der Metallfirma August Engels in Velbert? Dort hatte nach der Befreiung vom Faschismus die Arbeiterschaft gegen die ehemaligen Nazidirektoren gestreikt - mit vorübergehendem Erfolg. In der Bundesrepublik konnte jedenfalls jene "Fachleute" weiter für den Höchstprofit wirken - ja einer aus der Sippe war dabei nach der "Wiedervereinigung" als "Treuhänder" die Gießereibetriebe in der ehemaligen DDR platt zumachen bzw. diese den bundesdeutschen Konzernen als "Morgengabe" zu kommen zu lassen.

Was weiß man über die Vorgänge bei der Firma Goetze in Burscheid?

Die Aufzählungen von Betrieben, die in vielen kleinen Orten ihre Macht,- die sie durch die Nazis verstärkt bekamen, rücksichtslos ausnutzten und keine Humanität erkennen ließen (was es allerdings vereinzelt gab) - könnte sicherlich weitergeführt werden. Die wenigen Beispiele zeigen, dass ein Projekt wie die "Rallye Verbrechen der Wirtschaft" den Anstoß für dringend erforderliche Forschungen geben kann. In nachfolgenden Kurzdarstellungen sollen einige weitere Beispiele gegeben werden:

Stinnes-Konzern, Mülheim an der Ruhr

Auf der offiziellen Internetseite des Stinnes-Konzerns wird man darüber aufgeklärt, dass 1948 die Familie Hugo Stinnes mit den Gesellschaftern Cläre Stinnes, Hugo Stinnes jun. und Otto Stinnes in Mülheim an der Ruhr das Unternehmen Hugo Stinnes oHG zu neuer Größe aufbauten. Man erfährt auch, dass die erfolgreiche Unternehmensentwicklung 1925 durch Liquiditätsprobleme und Veräußerungen von Teilen des Unternehmens durch Banken ins Stocken geriet, dann jedoch durch amerikanische Banken wieder in Gang kam, um 1941 als "Feindvermögen" von den USA beschlagnahmt zu werden. Es wäre hier sicherlich interessant, die gesamte Geschichte der Stinnes-Dynastie (die 1808 mit der Gründung eines Schifffahrts- und - Kohlenhandels begann) zu untersuchen, doch kann hier nur kurz jener Abschnitt beleuchtet werden, der 1924 mit der Übernahme, des von seinem Vater - während der Inflation (!!) - "erworbenen" Unternehmen begann und im ständigen Auf und Ab des kapitalistischen Wirtschaftslebens immer größer und damit einflussreicher wurde. Der Herr über 1500 Unternehmen war z.B. auch Mitglied des Aufsichtsrats des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats. Am 20. Februar 1933 war er Teilnehmer - auch als Vorstandsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie - beim Geheimtreffen von 27 Industriellen mit Adolf Hitler und Hermann Göring in Berlin. Auf diesem Treffen wurde für den laufenden Wahlkampf zur Reichstagswahl am 5.März 1933 von der Creme der deutschen Industrie noch schnell mehr als zwei Millionen Reichsmark für die NSDAP locker gemacht. Obwohl nach außen hin die Fassade des unpolitischen, nur an Wirtschaftsfragen interessierten Unternehmers aufrecht erhalten wurde, ist bekannt das Stinnes jun. sich nicht scheute, während der Besetzung Dänemarks mit dem Nazi-Statthalter Werner Best Geschäfte zu machen. Best war ein promovierter deutscher Jurist, Nazi, Polizeichef, SS-Obergruppenführer und ab 1942 deutscher Statthalter im besetzten Dänemark, wo er vehement für die "Endlösung der Judenfrage" eintrat. Der nach der Befreiung in Dänemark zum Tode verurteilter Nazi-Verbrecher, kommt nach deutscher Intervention in die Bundesrepublik, wo er sofort aktiv an der Kampagne für eine Generalamnestie zugunsten von NS-Tätern mitwirkt. 1953 wird er Direktoriumsmitglied und Justitiar bei der Hugo Stinnes Industrie- und Handels GmbH in Mülheim an der Ruhr. Im Juli 1989 stellt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf einen Antrag auf die Eröffnung eines Verfahrens gegen Best wegen Mordes an 8723 Menschen. Der war aber einige Wochen zuvor gestorben. Dank des Mannes im Hintergrund mit Namen Hugo Stinnes jun. - dem auch Unterstützung anderer ehemaliger NS-Funktionäre nachgesagt wird - konnte Best unbehelligt als "Demokrat" in Erscheinung treten. Stinnes sei Dank!