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Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

25.05.2010

Siku-Autos und Haribo droht Boykott

NRW-Naturfreundejugend im Jahr 2001: Unternehmen sollen Zwangsarbeiter entschädigen

Lüdenscheid. (sky). Die Goldbärchen von Haribo und die Siku-Spielzeugautos der Lüdenscheider Sieper Werke haben eines gemeinsam: ihnen droht ein öffentlicher Boykott.

Dazu will die Landesgruppe NRW der Naturfreundejugend Deutschlands aufrufen und weitere Jugendverbände auffordern, sich ihrer Kampagne anzuschließen. Begründung: Haribo und Sieper wollten mit ihrer Firmenvergangenheit im Nationalsozialismus nichts zu tun haben und seien nicht der Stiftung der deutschen Wirtschaft beigetreten. "Deshalb werden wir unsere Mitglieder auffordern, die Produkte dieser beiden Firmen zu boykottieren", heißt es in einer Erklärung der Naturfreundejugend.

Die Sieper-Werke hätten auf die schriftliche Aufforderung zum Stiftungsbeitritt nicht einmal reagiert, bedauert der Vorsitzende des Verbandes, Josef Scholand. Auf einen relativ unflätigen Brief" werde er nicht antworten, sagte hingegen Firmenchef Volker Sieper. Er sieht für Zahlungen in die Stiftung "keinen rechtlich überzeugenden Grund". Der Vorwurf der Naturfreundejugend, die Firmen hätten sich damals am Einsatz der Fremdarbeiter bereichert, sei ungerechtfertigt. Sieper beweise soziales Engagement in anderen Bereichen. Im Krieg auf dem Balkan habe das Unternehmen für mehrere tausend Kinder "unaufgefordert" Spielzeug nach Bosnien geschickt.

Antwort bekam die Naturfreundejugend hingegen von der Firma Haribo: Sie habe mit dem Einsatz von Zwangsarbeitern "nichts tun". Ein Argument, das der Verband nicht gelten lässt: Der Süßwarenhersteller habe die ehemaligen Dr. Hillers Werke in Solingen übernommen und sei als "Rechtsnachfolger" für die dort eingesetzten Zwangsarbeiter heute verantwortlich.

Westfälische Rundschau vom 10.10.2001

Naturfreundejugend für Unterstützung der Zwangsarbeiter

HARIBO und Sieper-Werke wollen mit ihrer Vergangenheit nichts zu tun haben

Im Rahmen unserer ständigen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit innerhalb unserer Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen haben wir auch Untersuchungen zu der Situation der Zwangsarbeiter unternommen.

Dabei sind wir auf 2 Firmen gestoßen, die auch unmittelbar etwas mit der Lebenssituation unserer Kinder und Jugendlichen zu tun haben.

Die Firmen HARIBO GmbH in Köln und die Sieper-Werke in Lüdenscheid sind beide nicht der Stiftung zur Entschädigung der Zwangsarbeiter beigetreten.

Die Firma HARIBO war bislang durch ihre breite Palette der Süßigkeiten - nicht nur bei unseren Kindern und Jugendlichen - sehr beliebt. Die Firma Sieper-Werke stellt die auch in unseren Reihen bislang beliebten Spielzeugmodelle Wiking und Siccu her.

Wir haben beide Firmen angeschrieben und sie aufgefordert endlich der Zwangsarbeiterstiftung beizutreten.

Die HARIBO GmbH antwortete uns zwar, wollten uns aber in einer Stellungnahme nachweisen, dass HARIBO mit den Zwangsarbeitern nichts zu tun hatte. Das mag wohl richtig sein. Aber sie haben die Dr. Hillers Werke in Solingen übernommen und sind somit Rechtsnachfolger und verantwortlich für dort eingesetzte Zwangsarbeiter. Andere Firmen in Deutschland (wie z.B. die RAG ) haben sich als Rechtsnachfolger zu dieser Verantwortung bekannt und sind der Stiftung beigetreten.

Die Sieper-Werke haben es bis heute noch nicht einmal für nötig befunden, uns zu antworten.

Deshalb werden wir unsere Mitgliedschaft auffordern, die Produkte dieser beiden Firmen zu boykottieren und das auch entsprechend öffentlich machen - auch wenn die HARIBO-Geschäftsleitung das in dem Brief an uns "auf Grund einer emotional geführten Debatte und durch oftmals unseriöse, tendenziöse Berichterstattung in den Medien" bedauert.

Die VertreterInnen der Naturfreundejugendverbände Westfalen, Teutoburger Wald und Rheinland finden es einen Skandal, dass Zwangsarbeiter und -innen wie Bettler auftreten müssen für eine Arbeit, an der sich zahlreiche Unternehmen in der Zeit des Faschismus - und so auch die Sieper-Werke und HARIBO - eine goldene Nase verdienten. Die Entschädigung, die sie jetzt bekommen sollen, kann die geleistete Arbeit und das zugefügte Leid sowieso in keiner Weise wieder gut machen.

Wir werden auch andere Jugendverbände auffordern, sich unserer Kampagne anzuschließen.

Presseerklärung der Naturfreundejugend NRW

Haribo macht Kinder froh?

Boykott der Naturfreundejugend NRW

Wegen des bitteren Beigeschmacks wollen die Mitglieder der Naturfreundejugend NRW künftig auf den Genuss von Goldbärchen und anderen Süßigkeiten der Haribo-Palette verzichten.

Im Zusammenhang ihrer Initiative zur Unterstützung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern haben die Kinder und Jugendlichen Nachforschungen in ihrer Region angestellt. Sie stießen auf zwei Firmen, die nicht an der Zwangsarbeiterstiftung beteiligt sind. Es handelt sich um die Haribo GmbH und die Sieper-Werke in Lüdenscheid. Sieper stellt Spielzeuge (u. a. Wiking und Siccu) her.

Die jugendlichen Naturfreunde, die bislang zu den Kunden von Haribo und Sieper gehörten, schrieben die Firmen an und forderten sie auf der Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern beizutreten. Haribo antwortete und versuchte nachzuweisen, nichts mit Zwangsarbeit zu tun zu haben. Die Nachforschungen der Naturfreunde hingegen hatten ergeben, dass Haribo die Dr. Hillers-Werke in Solingen übernommen hat und somit deren Rechtsnachfolger ist. Andere deutsche Firmen wie die RAG haben sich als Rechtsnachfolger schuldiger Firmen bekannt und Verantwortung für dort eingesetzte Zwangsarbeiter übernommen. Haribo scheint dazu nicht bereit. Die Siepers-Werke haben es nicht für nötig befunden der Jugendorganisation zu antworten.

Die Naturfreundejugend NRW hat als Konsequenz ihre Mitgliedschaft aufgefordert, die Produkte der beiden Firmen zu boykottieren und dieses auch öffentlich zu machen. Die Geschäftsleitung von Haribo bedauert diesen Schritt und sieht sich als Opfer einer "emotional geführten Debatte" und einer "oftmals unseriösen, tendenziösen Berichterstattung der Medien".

Die Vertreter der Naturfreundejugendverbände Westfalen, Teutoburger Wald und des Rheinlandes finden es einen Skandal, dass Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wie Bettler auftreten müssen für eine Arbeit, an der sich zahlreiche Unternehmen während des Faschismus eine goldene Nase verdient haben. Die Entschädigung, die nun ausgezahlt werden solle, könne die geleistete Arbeit und das zugefügte Leid ohnehin in keiner weise wieder gut machen. Sie fordern andere Jugendverbände auf, sich ihrer Kampagne anzuschließen.

-er

Unsere Zeit vom 19. Oktober 2001