25.05.2010
Siku-Autos und Haribo droht Boykott
NRW-Naturfreundejugend im Jahr
2001: Unternehmen sollen Zwangsarbeiter entschädigen
Lüdenscheid. (sky). Die Goldbärchen von Haribo und die
Siku-Spielzeugautos der Lüdenscheider Sieper Werke haben eines
gemeinsam: ihnen droht ein öffentlicher Boykott.
Dazu will die Landesgruppe NRW der Naturfreundejugend
Deutschlands aufrufen und weitere Jugendverbände auffordern, sich
ihrer Kampagne anzuschließen. Begründung: Haribo und Sieper
wollten mit ihrer Firmenvergangenheit im Nationalsozialismus nichts
zu tun haben und seien nicht der Stiftung der deutschen Wirtschaft
beigetreten. "Deshalb werden wir unsere Mitglieder auffordern,
die Produkte dieser beiden Firmen zu boykottieren", heißt es
in einer Erklärung der Naturfreundejugend.
Die Sieper-Werke hätten auf die schriftliche Aufforderung zum
Stiftungsbeitritt nicht einmal reagiert, bedauert der Vorsitzende
des Verbandes, Josef Scholand. Auf einen relativ unflätigen
Brief" werde er nicht antworten, sagte hingegen Firmenchef
Volker Sieper. Er sieht für Zahlungen in die Stiftung "keinen
rechtlich überzeugenden Grund". Der Vorwurf der
Naturfreundejugend, die Firmen hätten sich damals am Einsatz der
Fremdarbeiter bereichert, sei ungerechtfertigt. Sieper beweise
soziales Engagement in anderen Bereichen. Im Krieg auf dem Balkan
habe das Unternehmen für mehrere tausend Kinder
"unaufgefordert" Spielzeug nach Bosnien geschickt.
Antwort bekam die Naturfreundejugend hingegen von der Firma
Haribo: Sie habe mit dem Einsatz von Zwangsarbeitern "nichts
tun". Ein Argument, das der Verband nicht gelten lässt: Der
Süßwarenhersteller habe die ehemaligen Dr. Hillers Werke in
Solingen übernommen und sei als "Rechtsnachfolger" für
die dort eingesetzten Zwangsarbeiter heute verantwortlich.
Westfälische Rundschau vom 10.10.2001
Naturfreundejugend für
Unterstützung der Zwangsarbeiter
HARIBO und Sieper-Werke wollen mit
ihrer Vergangenheit nichts zu tun haben
Im Rahmen unserer ständigen Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit innerhalb unserer Bildungsarbeit mit Kindern und
Jugendlichen haben wir auch Untersuchungen zu der Situation der
Zwangsarbeiter unternommen.
Dabei sind wir auf 2 Firmen gestoßen, die auch unmittelbar etwas
mit der Lebenssituation unserer Kinder und Jugendlichen zu tun
haben.
Die Firmen HARIBO GmbH in Köln und die Sieper-Werke in
Lüdenscheid sind beide nicht der Stiftung zur Entschädigung der
Zwangsarbeiter beigetreten.
Die Firma HARIBO war bislang durch ihre breite Palette der
Süßigkeiten - nicht nur bei unseren Kindern und Jugendlichen -
sehr beliebt. Die Firma Sieper-Werke stellt die auch in unseren
Reihen bislang beliebten Spielzeugmodelle Wiking und Siccu her.
Wir haben beide Firmen angeschrieben und sie aufgefordert endlich
der Zwangsarbeiterstiftung beizutreten.
Die HARIBO GmbH antwortete uns zwar, wollten uns aber in einer
Stellungnahme nachweisen, dass HARIBO mit den Zwangsarbeitern nichts
zu tun hatte. Das mag wohl richtig sein. Aber sie haben die Dr.
Hillers Werke in Solingen übernommen und sind somit
Rechtsnachfolger und verantwortlich für dort eingesetzte
Zwangsarbeiter. Andere Firmen in Deutschland (wie z.B. die RAG )
haben sich als Rechtsnachfolger zu dieser Verantwortung bekannt und
sind der Stiftung beigetreten.
Die Sieper-Werke haben es bis heute noch nicht einmal für nötig
befunden, uns zu antworten.
Deshalb werden wir unsere Mitgliedschaft auffordern, die Produkte
dieser beiden Firmen zu boykottieren und das auch entsprechend
öffentlich machen - auch wenn die HARIBO-Geschäftsleitung das in
dem Brief an uns "auf Grund einer emotional geführten Debatte
und durch oftmals unseriöse, tendenziöse Berichterstattung in den
Medien" bedauert.
Die VertreterInnen der Naturfreundejugendverbände Westfalen,
Teutoburger Wald und Rheinland finden es einen Skandal, dass
Zwangsarbeiter und -innen wie Bettler auftreten müssen für eine
Arbeit, an der sich zahlreiche Unternehmen in der Zeit des
Faschismus - und so auch die Sieper-Werke und HARIBO - eine goldene
Nase verdienten. Die Entschädigung, die sie jetzt bekommen sollen,
kann die geleistete Arbeit und das zugefügte Leid sowieso in keiner
Weise wieder gut machen.
Wir werden auch andere Jugendverbände auffordern, sich unserer
Kampagne anzuschließen.
Presseerklärung der Naturfreundejugend NRW
Haribo macht Kinder froh?
Boykott der Naturfreundejugend NRW
Wegen des bitteren Beigeschmacks wollen die Mitglieder der
Naturfreundejugend NRW künftig auf den Genuss von Goldbärchen und
anderen Süßigkeiten der Haribo-Palette verzichten.
Im Zusammenhang ihrer Initiative zur Unterstützung von
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern haben die Kinder und
Jugendlichen Nachforschungen in ihrer Region angestellt. Sie
stießen auf zwei Firmen, die nicht an der Zwangsarbeiterstiftung
beteiligt sind. Es handelt sich um die Haribo GmbH und die
Sieper-Werke in Lüdenscheid. Sieper stellt Spielzeuge (u. a. Wiking
und Siccu) her.
Die jugendlichen Naturfreunde, die bislang zu den Kunden von
Haribo und Sieper gehörten, schrieben die Firmen an und forderten
sie auf der Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeitern beizutreten. Haribo antwortete und versuchte
nachzuweisen, nichts mit Zwangsarbeit zu tun zu haben. Die
Nachforschungen der Naturfreunde hingegen hatten ergeben, dass
Haribo die Dr. Hillers-Werke in Solingen übernommen hat und somit
deren Rechtsnachfolger ist. Andere deutsche Firmen wie die RAG haben
sich als Rechtsnachfolger schuldiger Firmen bekannt und
Verantwortung für dort eingesetzte Zwangsarbeiter übernommen.
Haribo scheint dazu nicht bereit. Die Siepers-Werke haben es nicht
für nötig befunden der Jugendorganisation zu antworten.
Die Naturfreundejugend NRW hat als Konsequenz ihre Mitgliedschaft
aufgefordert, die Produkte der beiden Firmen zu boykottieren und
dieses auch öffentlich zu machen. Die Geschäftsleitung von Haribo
bedauert diesen Schritt und sieht sich als Opfer einer
"emotional geführten Debatte" und einer "oftmals
unseriösen, tendenziösen Berichterstattung der Medien".
Die Vertreter der Naturfreundejugendverbände Westfalen,
Teutoburger Wald und des Rheinlandes finden es einen Skandal, dass
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wie Bettler auftreten müssen
für eine Arbeit, an der sich zahlreiche Unternehmen während des
Faschismus eine goldene Nase verdient haben. Die Entschädigung, die
nun ausgezahlt werden solle, könne die geleistete Arbeit und das
zugefügte Leid ohnehin in keiner weise wieder gut machen. Sie
fordern andere Jugendverbände auf, sich ihrer Kampagne
anzuschließen.
-er
Unsere Zeit vom 19. Oktober 2001
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