Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

25.05.2010

Die im Hintergrund

Fritz Berg, Herr Kleinewefers, Stinnes und andere

Autor: Manfred Demmer

Sonntags spricht er von Demokratie...
"Sonntags spricht er von Demokratie, Montags weiß er nicht mehr wie er das machen soll.
Denn mit seinen Maschinen, will er weiter verdienen manchen Beutel voll.
Die Katze läßt das mausen nicht, auch wenn sie manchmal schnurrt,
sie zeigt euch ihre Krallen schon, sobald ihr mal nicht spurt."

So beginnt ein Lied, welches 1969 von Hannes Stütz geschrieben wurde und was jenem Herren gewidmet ist, der damals mit einem Ausspruch deutlich machte, dass man zur Durchsetzung seiner Interessen von der Waffe Gebrauch machten könnte, "Dann herrschte wenigstens wieder Ordnung", so begründete er das damals. Der Schießwütige war kein Krimineller - sondern der erste Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie nach 1945, der die Funktion von 1949 bis 1971 ausübte. Er hieß Fritz Berg und kam aus Altena, wo er geboren wurde und seine Schulausbildung genoss. Nach einer Bank- und Kaufmannsausbildung folgten Tätigkeiten in den USA (u.a. bei Ford in Detroit) und Kanada. Ab 1928 war Prokurist in der Firma seines Vaters, welche Stahlerzeugnisse produzierte. Ob in jenen Jahren der Unternehmer sich mit politischen Fragen befasste oder ob er sogar Mitglied der NSDAP wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Ein Brand 1961 im Westfälischen Wirtschaftsarchiv vernichtete Akten, die Auskunft über Bergs konkrete Tätigkeit hätten geben können. Jedoch steht fest, dass der ab 1940 tätige Alleininhaber der Firma, aktiv im Beirat der Wirtschaftskammer war. Diese Gauwirtschafts-

kammern waren Wirtschaftsorganisationen der Nazis, die die faschistischen Ziele im Bereich der Wirtschaft umsetzen halfen. Ab 1942 wurden Sie, infolge der Zielsetzung der Nazis das Wirtschaftsleben den Erfordernissen des sich abzeichnenden "Totalen Krieges" zu unterwerfen und die Kräfte der Wirtschaft regional zu bündeln, per Erlass des Reichswirtschaftsministerium Nachfolger der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern. "Die ohnehin", so heißt es in einem Lexikon, "seit der 'Machtergreifung' drastisch eingeschränkte Selbstverwaltung dieser Wirtschaftsbereiche wurde damit beseitigt." Hätte hier nicht stehen müssen, die selbst gewollte bzw. selbst herbeigeführte Beseitung? Fritz Berg wird wohl kaum Probleme damit gehabt haben. Denn er wurde - das ist trotz der verbrannten Akten gesichert - 1943 stellvertretender Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisen-, Stahl- und Blechwarenindustrie, wo für ihn sicherlich nicht nur die Produktion von Blechdosen im Vordergrund stand. Ebenfalls gehörte er dem Präsidium der Wirtschaftsgruppe Metallwaren an. Es ist kaum anzunehmen, dass er auch dort nicht mit "kriegswichtigen Fragen" befasst war - ob nun als ernannter Wehrwirtschaftsführer oder nicht.

Nachdem Kriege ging dann ungebrochen seine Karriere weiter. Er wird 1946 Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes Eisen-Stahl- und Metallverarbeitung - zu einem Zeitpunkt also wo Gewerkschaften sich erst nach und nach sich organisieren konnten - und präsidiert der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer in Hagen vor. Berg - der kurzzeitig auch Bürgermeister in Altena war - leitete 1951 die erste westdeutsche Industriellen-Delegation in die USA. Der Gutsbesitzer war Mitglied in vielen Aufsichtsräten und im Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er war außerdem Geschäftsführer jener 1954 gegründeten "Staatsbürgerlichen Vereinigung", die in den 1960er und 1970er Jahren politisch motiviert Spenden sammelte, um diese dann an politische Parteien - vornehmlich von rechts - weiterzuleiten. Hierbei fand dann ein Bruch der Gesetzgebung statt, weil die Parteien verpflichtet sind über die Herkunft ihrer Mittel Rechenschaft abzulegen und es dabei zu eklatanten Vorstößen kam. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dieses Verhalten in einem Urteil von 1979 für rechtswidrig. Im Umfeld der Flick-Affäre wurde diese Vereinigung zu einem Skandal, zumal auch Hinweise darauf sichtbar wurden, dass es unter dem Dach der Vereinigung zu Kontakten zwischen CDU-Politikern und NPD-Leuten gekommen war. Während diese also unter der Regie dieses Geschäftsführer geschah, fühlt der sich genötigt, einen Schießbefehl auf streikende Arbeiter zu fordern. Natürlich nur, um die Ordnung herzustellen, die nach Ansicht des während der Nazizeit "qualifizierten" Arbeitgeberbosses, durch die Septemberstreiks von 1969 bedroht war. Auch in der Nazizeit war ja die Ordnung durch einen Schießbefehl von Göring hergestellt worden, dem tausende Arbeiter zum Opfer fielen. Gewerkschafter und Antifaschisten protestierten gegen die Berg-Aussagen, die Verbände der Unternehmer und ihre politischen Sprachrohre übten klammheimliche bis offene Sympathie mit ihrem Boss, der 1979 in Köln verstarb. Wie sang Hannes Stütz zum Schluss seines Liedes:

"Samstag ist der Krieg vorbei und die halbe Welt entzwei. Herr Berg ist guten Mut's,
Jetzt ist er wieder Demokrat solang er davon Nutzen hat. Wenn nicht - dann kehrt ! Was tut's?
Es sei denn, es ist jemand da, der ihm den Weg verbaut, in die Hände nimmt und mitbestimmt, was er uns täglich klaut.
Denn die Katze läßt das mausen nicht auch wenn sie manchmal schnurrt.
Sie zeigt Euch ihre Krallen schon sobald ihr mal nicht spurt."

Er war dabei

Im WDR-Fernsehen konnte man am 26.März 1985 eine Geschichtsstunde der besonderen Art miterleben. Da war auf der einen Seite ein Mann, der als Kommunist schon vor Beginn des staatlichen Naziterrors gegen die deutschen Faschisten gekämpft hatte. Dafür wurde er von den Nazis drangsaliert, seine Frau im KZ Auschwitz umgebracht und er selber im KZ Buchenwald gefangen. Kurt Bachmann - um ihn handelte es sich - war Präsidiumsmitglied der VVN-Bund der Antifaschisten und der FIR (Internationale der Widerstandskämpfer), Er berichtet in dem Film "Volksgenossen" über seine Erfahrungen im Faschismus. Der andere Part hatte jener Mann inne, der in einem Buch mit dem Titel "Jahrgang 1905" bekannte, dass er bei den Nazis voll dabei war. Wie z.B. am 26.Januar 1932, wo der Unternehmersohn im Industrieclub in Düsseldorf Herrn Hitler lauschte, wie dieser den Herren der Banken und der Industrie seinen Plänen vortrug und diese dann in begeistertes Entzücken ausbrachen. Paul Kleinewefers aus Krefeld, der 1928 den ersten Kontakt mit den Nazis aufnahm, schreibt: "Ich war unter den bekannteren Krefelder Unternehmern und in der sogenannten Gesellschaft zu dieser Zeit der einzige Parteigenosse." Und als Nazi jubelt er, als die Gewerkschaften 1933 verboten wurden (wie es ja der "Führer vor etwas mehr als einem Jahr vorher in Düsseldorf angedeutet hatte) und mit der "Deutschen Arbeitsfront" eine Organisationsform entstand, bei der der Betriebschef nach dem "Führerprinzip" zum innerbetrieblichen Diktator bestellt wurde. So schreibt Kleinewefers in seinem Buch: "Die Beseitigung der Demokratie und die Einführung des 'Führerprinzips' wurde keineswegs überall als Zwang und Diktatur empfunden, denn es war offensichtlich, wie sehr sich die extreme Demokratie selbst ad absurdum geführt hatte." Ja, auch noch in bundesrepublikanischer Zeit stellt er fest: "Diese Organisation der Wirtschaft (Selbstverwaltung) und der einzelnen Betriebe sowie die Arbeitsfront mit dem Treuhänder der Arbeit empfinde ich auch in der Rückschau noch als eine fast ideale Wirtschafts- und Sozialverfassung im Interesse aller." Und auch das stammt aus seiner Feder: "Der soziale Frieden in der Bundesrepublik Deutschland hat auch die Wurzel in jenen Jahren und in der segensreichen Aktivität der Deutschen Arbeitsfront". Kleinewefers und die Firma profitierten vom III.Reich, der Betrieb wurde zum "Nationalsozialistischer Musterbetrieb" erklärt.( Bis 1940 durften insgesamt 297 Betriebe den Titel führen), was natürlich auch manche Vorteile verhieß. Während des Krieges konnte sich die Firma im Osten ausdehnen. Ein Betrieb entstand nun in der besetzten Tscheslowkai. Und wie sich das gehörte, bedankte sich der dem "Führer, Volk und Vaterland" verpflichten Unternehmer, für die Fürsorge des faschistischen Staates für seine Unternehmer, auch bei der Gestapo. Wie in der gesamten Industrie, Handwerk und bei Bauern bekam auch Kleinewefers sogenannte Fremdarbeiter, die als Arbeitssklaven für den Profit des nationalsozialistischen Musterbetriebes und Herrn Kleinewefers schuften mussten. Waren da mal welche drunter, die sich renitent zeigten, wurden diese bei der Gestapo denunziert. Am 2. November 1942 hieß es in einem Firmenbrief:

"An die Geh. Staatspolizei:

Unsere Ostarbeiterin P. Alexandra, geboren 1895, hat in unserem Lager unter den Ostarbeiterinnen Unruhe gestiftet und ist mit der Verpflegung nicht zufrieden. Sie hat versucht ihre Arbeitskameradinnen dazu zu bewegen die Arbeit niederzulegen und ebenfalls Beschwerde über Essen usw. vorzubringen. Wir haben die Ostarbeiterin daraufhin in Einzelarrest genommen um sie von den anderen Lagerinsassen abzusondern. Wir haben festgestellt, daß die Genannte und auch noch andere Ostarbeiterinnen im Hause Inratherstrasse angeblich bei einer Frau M. verkehren und es hat den Anschein, als ob von der Stelle aus die Ostarbeiterinnen irgendwie beeinflusst werden. Wie uns zugetragen wurde, ist die Frau M. gebürtige Russin und deren Mann wegen politischer Straftaten im Gefängnis. Wir bitten Sie, die Angelegenheit genau zu untersuchen und vor allem gegen die Alexandra P. die notwendigen Schritte zu unternehmen.

Heil Hitler!

Joh. Kleinewefers Soehne ppa"

Da solches ja nicht in einem faschistischen Musterbetrieb zu dulden war, wird wohl seitens der Geheimen Staatspolizei dazu geführt haben, die "Bitte" zu erfüllen. Und Keinewefers wusste was er zu machen hatte. Er bedankte sich artig und schrieb in seinem Buch: "Zu Weihnachten hatten sie gelegentlich ein Fäßchen Bier bekommen, so taten sie mir manchen Gefallen, und ich konnte helfen."

Nach der Befreiung von Krieg und Faschisms war die Unternehmerfamilie Kleinewefers, wegen ihrer Rolle in der Nazidiktatur, erstmal gesellschaftlich isoliert. So umgab man sich zunächst mit ehemaligen Nazi-"Kulturschaffenden", wie z.B. Hitlers Lieblingsbildhauer Arnold Breker. Doch bald gelangten sie in die "Gesellschaft" zurück. Kleinewefers-Sohn Jan wurde sogar von 1993 bis 1995 Bundesvorsitzender des einflußreichen Unternehmerverbandes der Maschinenbauindustrie (VDMA). Auch heute sitzt er noch in zahlreichen Gremien, wie etwa dem Stiftungsrat des Internationalen Karlspreis. Kleinewefers gründete eine Stiftung - die zuerst nach ihm benannt, dann 1989 in Adalbert-Stiftung umbenannt wurde . Diese Stiftung war seit ihrer Gründung eine Art Scharnier zwischen Rechten, Konservativen und (immer mehr) Prominenten aus Politik und Industrie. Geprägt wurde sie durch ihren Stifter. Sie arbeitet eng mit der Konrad Adenauer -Stiftung der CDU und dem Düsseldorfer Industrieclub (Nachfolger von genau jenem!) zusammen. Das Paul Kleinewefers sich auch an anderer Stelle profilierte tat diesen Beziehungen keinen Abbruch. Wie etwa 1999, wo er - im Alter von 94 Jahren - in der Zwangsarbeiterdebatte - einen Artikel in der ultrarechten Zeitschrift "Soldat im Volk" schrieb. Zitat: "Wir Betriebsführer in der damaligen Rüstungsindustrie standen unter dem Druck, bestimmte Leistungen in der Produktion von Waffen, Maschinen, Geräten usw. zu erbringen, abgesehen von der vaterländischen Pflicht, unsere Aufgabe ebenso selbstverständlich zu erfüllen, wie man das von den Soldaten an der Front erwartete."

In der Tat - er erfüllte seine selbstverständliche Pflicht. Paul Kleinewefers war und blieb dabei!

Seine Lebensaufgabe

Im "Braunbuch", - jenes Nachschlagewerk welches 1965 in der DDR erschien um über die Karrieren von Fachleuten der Nazizeit in der Bundesrepublik zu berichten, was entsprechend der damaligen antikommunistischen bundesdeutschen Staatsdoktrin als kommunistisches Machwerk und Fälscherbuch , als "politische Pornograhie" bezeichnet wurde, gegen das auch juristisch vorgegangen wurde, - findet sich auf Seite 48 ein Eintrag über Werner Albert. Er wird dort als Wehrwirtschaftsführer bezeichnet, der bei Kronprinz in Solingen tätig war und ist. Weiterführende Informationen gibt es leider nicht und auch in anderen Nachschlagewerken wird man bei dem Namen nicht fündig. Also haben die "Braunbuch" - Macher hier nur etwas hineingeschrieben um die Bundesrepublik im Kalten Krieg an zu schwärzen?

Am 3. August 1966 erschien im "Solinger Tageblatt" ein Artikel mit der Überschrift: "KPZ wurde ihm zur Lebensaufgabe". Anlass ist der 65.Geburtstag des langjährigen Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes der "Klingenstadt" Solingen, eben jenem Werner Albert. Bevor aus dem Artikel weiter zitiert werden soll, wollen wir einige biographische Daten beisteuern, die den Hintergrund ausleuchten helfen. Geboren wurde er in Düsseldorf, "baute" sein Abitur in Remscheid, wo er auch ein Praktikum bei der Firma Mannesmann machte. Am 21.April 1925 begann er dort - der zuvor eine Diplomprüfung als Maschinenbauer an der TH München abgelegt hatte - als Betriebsingenieur bei Mannesmann. Daneben war er 1925 auch als Assistent am Kaiser Wilhelm - Institut für Eisenforschung in Düsseldorf tätig. 1926 promovierte er an der Fakultät für Eisenhüttenwesen bei der TH Aachen. Bei Mannesmann wurde er 1930 Betriebsleiter des Walzwerkes in Rath (Düsseldorf) und dann in gleicher Position im Werk Landore der British Mannesmann Tube Co. In Wales.

Nun soll weiter aus dem Artikel zitiert werden, wo mitgeteilt wird, das er "vor 28 Jahren in die Klingenstadt (kam), nachdem ihn die Generaldirektion der Mannesmann AG zum Vorstandsmitglied der gerade übernommen Kronprinz AG berufen" hatte. Und an anderer Stelle wird berichtet, dass er "in der technischen Leitung der Kronprinz AG seine Lebensaufgabe fand. Mit welchem Geschick er dieser Aufgabe gerecht wurde, das geht aus der Tatsache hervor, dass er die Zeiten der immer schwieriger werdenden Produktionsverhältnisse, ebenso wie die des Wiederaufbaus und der jüngsten rationalisierenden Neuorganisation zum Wohle des Unternehmens meisterte." Hier müssen nun einige Anmerkungen gestattet sein, denn was hatte es sich mit der "gerade übernommen Kronprinz AG" auf sich? Was waren die "immer schwieriger werdenden Produktionsverhältnisse"? Und was konnte man unter dem "Wohle des Unternehmens" verstehen?

Der Wirtschaftsjournalist Kurt Pritzkoleit warf 1963 ein Blick hinter die Türen der deutschen Wirtschaft. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er in dem Buch "Männer-Mächte-Monopole". Dabei sind auch Hinweise auf die "gerade übernommene Kronprinz AG" zu finden. Doch bevor dieses Thema kurz behandelt werden soll, müssen einige Worte zu den immer "schwieriger werdenden Produktionsverhältnissen" gesagt werden. Der von der übergroßen Mehrheit der Industrie begrüßte Zweite Weltkrieg, der Aufträge und damit höchste Profite versprach, forderte natürlich auch von den Betrieben "Opfer". Was tun, wenn die deutschen Arbeiter statt hinter der Drehbank an Flakgeschützen stehen? Da müssen eben andere ran, am besten solche, denen man noch kümmerlichere Löhne (wenn überhaupt) zahlen kann, als man es schon bei der deutschen "Gefolgschaft" tat. Also müssen Zwangsarbeiter her, um die "schwierigen Produktionsbedingungen" zum "Wohle des Unternehmens" zu lösen. Und Werner Albert verfuhr danach. In den Kronprinz -Werken schufteten in den Anfangsjahren des Krieges bereits rund 700 Arbeitssklaven. Der spätere Wehrwirtschaftsführer hatte die Leitung der Kronprinz AG zu dem Zeitpunkt übernommen, als 1938 "die Springflut der politischen Ereignisse" (Pritzkoleit) die Mannesmann - Röhrenwerke (die Kronprinz und die Vorgängerfirma Alexander Coppel einverleibt hatte) "auf der Höhe des Krieges zu den größten deutschen Montankonzernen" werden lässt. Begonnen hatte alles bereits 1930, als Mannesmann ein Fünftel der Firma erwarb. Ab 1934, wo im Mannesmann-Konzern Generaldirektor Wilhelm Zangen waltete, wuchs das Imperium ständig weiter. Zu der Zeit als Werner Albert verantwortlich für KPZ wurde, hatte Mannesmann weitere 20 Beteiligungsgesellschaften im In-und Ausland. Was hatte es sich mit der von Pritzkoleit erwähnten Vorgängerfirma Alexander Coppel auf sich?

Im neunzehnten Jahrhundert hatte sich in Solingen die Firma "Alexander Coppel" etabliert, die Stahlwaren und auch Blankwaffen herstellte. Die Familie war jüdischen Glaubens. In einem Zweigwerk in Hilden wurden darüber hinaus Stahlrohre produziert. Der 1865 geborene Alexander Coppel tritt in die Firma ein und wirkt auch im öffentlichen Leben von Solingen und Hilden mit. Entsprechend seiner nationalliberalen Einstellung zeichnet er im Ersten Weltkrieg Kriegsanleihen und fordert die Bürger und "seine"Arbeiter ebenfalls dazu auf. Von 1915 bis 1942 ist er Vorsitzender der Synagogengemeinde in Solingen und einige Zeit auch im Vorstand der Industrie- und Handelskammer aktiv.In der Weimarer Republik wendet er sich der Deutschen Demokratischen Partei zu und ist deren Stadtverordneter bis 1929 in der Klingenstadt. Ungeachtet seiner Aktivitäten für die Belange der Stadt wird er schon frühzeitig von den Nationalsozialisten angegriffen.Im Juni 1932 gibt es bei der Firma in Solingen auf Initiative des Betriebsrats einen halbstündigen Protest gegen eine Schießerei von SA-Leuten, bei der 4 Arbeiter verletzt wurden. Nach der Machtüber - tragung verschärften sich die Angriffe. Schon 1934 emigrieren Familienangehörige in die Schweiz. Im Nazi-Sudelblatt "Der Stürmer" werden Angriff auf das jüdische Unternehmen gestartet. Trotz-dem ergeht am 7.August 1933 seitens der Firma ein Schreiben an die NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation), Ortsgruppe. Hilden zur Einführung des deutschen Grußes durch Erheben des rechten Armes. Drei Tage später beteiligt sich Alexander Coppel an den Kosten für eine NSBO-Fahne. Darin "soll der gemeinsame hohe nationale Geist zum Ausdruck kommen.'' Doch auch die Tatsache das die IHK der Familie "nationale und soziale Gesinnung" bescheinigte und das sich die NSBO im Juni 1933 dafür einsetzte, zu berücksichtigen, dass bei der Firma staatliche Waffenproduktion in Auftrag gegeben werden könnten, all das konnte nicht verhindern, dass die jüdische Firma schon vor der Reichspogromnacht "arisiert" wurde. In einem Beitrag einer Solinger Schule über die Familie Coppel heißt es dazu: "Trotz vermehrter Judenauswanderung durch den drohenden Nationalsozialismus halten die Brüder dem Werk die Treue bis sie schließlich 1936 aus der Firmenbelegschaft verabschiedet werden und die Firma in fremde Hände übergeben werden muss." (!!??) "Verabschiedet"? "Die Firma in fremde Hände übergeben"? Der für Solingen zuständige Nazi-Gauleiter Friedrich Karl Florian hatte in einem Gaubefehl 1938 das Wort "Arisierung" verboten und befohlen von einer "Entjudung" zu sprechen. "Entjudet" wurde das Werk in Hilden am 1.März 1936 und der Betrieb in Solingen am 16.April. Wie die genauen Vorgänge waren ist weitgehend unbekannt - nur das Kronprinz, dass "entjudete" Unternehmen sich einverleibte, ist bekannt. Alexander Coppels Bruder, Gustav nimmt sich 1941 das Leben, seine Tochter Anna kommt 1942 im KZ Ravensbrück um.

Der Wehrwirtschaftsführer Albert wird sich damals wohl kaum um das Schicksal seines ehemaligen Unternehmerkollegen gekümmert haben, der dann im Juli 1942 - siebenundsiebzigjährig - mit anderen Solinger Juden ins Ghetto nach Theresienstadt deportiert wurde, wo er am 5.August 1942 verstirbt. Der Wehrwirtschaftsführer Albert konnte nahtlos - wie es ja auch seiner beruflichen Aufgabe entsprach, nahtlose Rohre herzustellen - als führender Mann der Solinger Wirtschaft "den Wiederaufbau zum Wohle des Unternehmens" fortsetzen. Und dies geschah mit "alten Kameraden" der Nazizeit.

Da hatten in Hilden Kommunisten, Sozialdemokraten, Zentrumsleute und Parteilose beim Einmarsch der Amerikaner einen Antifa-Ausschuss gebildet, der auch von den Besatzern akzeptiert wurde. Diesem ersten demokratischen Gremium gehörte auch der Hildener Werksleiter der Firma Kronprinz an, der SS-Mitglied gewesen war. Auf Protest der Kommunisten hin wurde er - der auf Vorschlag der Wirtschaft in den Ausschuss gesandt worden war - entlassen. In Solingen sahen es die Betriebsräte des Kronprinz-Betriebes als eine der wichtigsten Aufgaben an, die Entnazifizierung im Betriebes durchzuführen. In der Zeit vom 22.Oktober 1945 bis 12.April 1946 mußten dadurch ehemals aktive Nazis durch die Betriebsleitung entlassen werden. Wie gesagt, nicht der ehemalige Wehrwirtschaftsführer, der nun als Vorstand der Kronprinz AG demokratisch geworden war, handelte, sondern die Arbeiter und Angestellten des Betriebes. Als Dank dafür wurden diese dann Jahre später bei der "rationellen Neuorganisation zum Wohle des Unternehmens" aus dem Betrieb entlassen, entfernt.

Der langjährige Boss des Solinger Arbeitgeberverbandes, der über 40 Jahre an den Schalthebeln des Kronprinz-Betriebes stand, hat seine Lebensaufgabe - den Profit höchstmöglichst zu erreichen - erfolgreich durchgeführt. Was spielen da eventuelle moralische Fragen eine Rolle ? Was spielt da die Frage nach dem Schicksal eines von den Nazis ermordeten jüdischen Unternehmers eine Rolle?

Förderer der Nazis vor und nach dem Krieg

Auf der offiziellen Internetseite des Stinnes-Konzerns wird man darüber aufgeklärt, dass 1948 die Familie Hugo Stinnes mit den Gesellschaftern Cläre Stinnes, Hugo Stinnes jun. und Otto Stinnes in Mülheim an der Ruhr das Unternehmen Hugo Stinnes oHG zu neuer Größe aufbauten. Man erfährt auch, dass die erfolgreiche Unternehmensentwicklung 1925 durch Liquiditätsprobleme und Veräußerungen von .Teile des Unternehmens durch Banken ins Stocken geriet, dann jedoch durch amerikanische Banken wieder in Gang kam, um 1941 als "Feindvermögen" von den USA beschlagnahmt zu werden. Es wäre hier sicherlich interessant, die gesamte Geschichte der Stinnes-Dynastie (die 1808 mit der Gründung eines Schifffahrts- und - Kohlenhandels begann) zu untersuchen, doch kann hier nur kurz jener Abschnitt beleuchtet werden, der 1924 mit der Übernahme , des von seinem Vater - während der Inflation (!!) - "erworbenen" Unternehmen begann und im ständigen Auf und Ab des kapitalistischen Wirtschaftslebens immer größer und damit einflussreicher wurde. Der Herr über 1500 Unternehmen war z.B. auch Mitglied des Aufsichtsrats des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats. Am 20. Februar 1933 war er Teilnehmer - auch als Vorstandsmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie - beim Geheimtreffen von 27 Industriellen mit Adolf Hitler und Hermann Göring in Berlin. Auf diesem Treffen wurde für den laufenden Wahlkampf zur Reichstagswahl am 5.März 1933 von der Creme der deutschen Industrie noch schnell mehr als zwei Millionen Reichsmark für die NSDAP locker gemacht. Obwohl nach außen hin die Fassade des unpolitischen, nur an Wirtschaftsfragen interessierten Unternehmers aufrecht erhalten wurde, ist bekannt das Stinnes jun. sich nicht scheute , während der Besetzung Dänemarks mit dem Nazi-Statthalter Werner Best Geschäfte zu machen. Best war ein promovierter deutscher Jurist, Nazi, Polizeichef, SS-Obergruppenführer und ab 1942 deutscher Statthalter im besetzten Dänemark, wo er vehement für die "Endlösung der Judenfrage" eintrat. Der nach der Befreiung in Dänemark zum Tode verurteilter Nazi-Verbrecher, kommt nach deutscher Intervention in die Bundesrepublik, wo er sofort aktiv an der Kampagne für eine Generalamnestie zugunsten von NS-Tätern mitwirkt. 1953 wird er Direktoriumsmitglied und Justitiar bei der Hugo Stinnes Industrie- und Handels GmbH in Mülheim an der Ruhr. Im Juli 1989 stellt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf einen Antrag auf die Eröffnung eines Verfahrens gegen Best wegen Mordes an 8723 Menschen. Der war aber einige Wochen zuvor gestorben. Dank des Mannes im Hintergrund mit Namen Hugo Stinnes jun. - dem auch Unterstützung anderer ehemaliger NS-Funktionäre nachgesagt wird - konnte Best unbehelligt als "Demokrat" in Erscheinung treten. Stinnes sei Dank!

http://www.stinnes.com/history.php