Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

22.06.2011

Abs forderte Weltherrschaft und daher die Beseitigung der Sowjetunion

Thesen der Aachener VVN-BdA mit aktuellen Bezügen

Anlässlich des 70. Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion fanden in Nordrhein-Westfalen um den 22. Juni herum zahlreiche Aktionen, Mahnwachen, Veranstaltungen der VVN-BdA statt, ferner Veranstaltungen von Bündnissen mit VVN-Beteiligung. Im Rahmen einer Veranstaltungsserie hat die VVN-BdA Thesen zur Geschichte, auch zur Wirtschafts- und Militärgeschichte, vorgelegt. „Wir wollen in Form von Thesen einige historische Gesichtspunkte mit unserer Gegenwart abgleichen,“ schrieb das Kollektiv der VVN-BdA Aachen zum nachfolgenden Text, den wir zur Diskussion stellen:

Am 22. Juni 1941 überfiel das faschistische Deutschland die Sowjetunion. Der 22. Juni 1941 markiert einen reinen Angriffskrieg, der dem Ziel des Aufbaus einer deutschen Weltmacht diente. Es war der Beginn einer unfassbaren Katastrophe für die Menschen in der Sowjetunion. Nach neueren Schätzungen starben etwa 28 Millionen Zivilisten und mehr als acht Millionen Rotarmisten. Und es war ein Vernichtungskrieg. Alles jüdische Leben sollte ermordet werden, einen slawischen Staat sollte es in der folgenden Geschichte nie mehr geben können. Spätestens seit dem Bau des Holocaust-Mahnmals in Berlin bescheinigt sich die bundesrepublikanische Gesellschaft permanent selbst, nie mehr in der Lage und willig zu sein, das Ungeheuer des Faschismus wieder aufleben zu lassen. An dieser Haltung kommen Zweifel auf, wenn wir erleben müssen, mit welcher Militanz staatliche Organe Aufmärsche der geistigen Erben des Hitlerfaschismus schützen.

Mobilisierung gegen Kriegsgegner/innen ist Kriegsvorbereitung

Die Vorbereitungen des von den Nazis lange vor ihrer Machteinsetzung angekündigten Überfalls auf die Sowjetunion begannen unmittelbar nach der Machtübergabe an Hitler. Die Voraussetzungen für den Krieg wurden geschaffen mit den Versuchen der Eliminierung der Kriegs- und der Hitlergegner, die bereits ab Februar 1933 in Schutzhaft und wenig später in Konzentrationslager weg gesperrt wurden - sofern sie nicht sofort umgebracht wurden.

Und heute? Die Bundeswehr hält ein breites Instrumentarium zur Zerschlagung demokratischen Widerstands von Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegnern bereit. Die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien (Mai 2011) sehen den Einsatz der Bundeswehr zum „Heimatschutz“ vor. Der Einsatz aller Gattungen der Bundeswehr auf dem G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm richtete sich gegen demokratischen Widerstand zum G8 Gipfel. Auch auf diversen

„Zivilschutz-“Übungen der Bundeswehr wurden Streiks und demokratische Bewegungen ins Visier genommen.

In der Bedrohung von Kriegsgegner/innen erkennen wir ein friedensgefährdendes Potential.

Angriffe auf das Völkerrecht bedeuten Krieg

Nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges waren die Völker und Staaten bestrebt, ein neues Völkerrecht zu schaffen, das Staaten das Recht zur Kriegsführung - ius ad bellum - entzieht bzw. einschränkt. (…) Die Zerschlagung des sich zaghaft herausbildenden, auf Frieden orientierten Völkerrechts durch die Nazis mit der Inanspruchnahme des Rechts auf Kriegsführung gehört zur Vorgeschichte des 2. Weltkrieges und des Überfalls auf die Sowjetunion.

Und heute? Der Angriff der NATO auf Jugoslawien, der „Koalition der Willigen“ auf den

Irak und der Krieg in und gegen Afghanistan sind Meilensteine in der jüngsten Zerschlagung des gültigen Völkerrechts. Sie gipfeln in der Anmaßung, aus „Schutzverantwortung“ gegenüber der Zivilbevölkerung (responsibility to protect, R2P) (Besatzungs-)Armeen in Marsch setzen zu können. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung ist der faktisch auch von der Bundesregierung mit getragene Krieg gegen Libyen.

Krieg gebiert Ungeheuer

Das antisemitische Programm der Nazis war bereits in Hitlers Schrift „Mein Kampf“ (1925) dokumentiert. Sofort nach Hitlers Machteinsetzung wurden dann auch Jüdinnen und Juden in Deutschland drangsaliert und gedemütigt, enteignet, aus dem Land gejagt und bis zum 22.6.1941 insgesamt 900.000 ermordet. Doch erst mit dem Überfall auf die Sowjetunion entfaltete der Antisemitismus seinen furchtbaren eliminatorischen Charakter, industriemäßig wurden 6 Millionen Menschen ermordet mit dem einzigen Ziel, alle Jüdinnen und Juden der Welt zu vernichten. Die Mordlust in Deutschland verlor erst dann alle Hemmungen, als der Krieg das gesamte Leben bestimmte.

Und heute? Wir sind in Sorge angesichts der Bilder von Soldatinnen und Soldaten der sog. westlichen Welt, die im Krieg alle Hemmungen des zivilen Lebens überwinden, wenn sie (…) auf Kinder schießen oder mit menschlichen Schädeln spielen (Bundeswehr in Afghanistan). Wir befürchten, dass die zunehmende Kriegsführungsfähigkeit Deutschlands und die Umrüstung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee zu einer Verrohung des menschlichen Umgangs in der ganzen Gesellschaft mit heute noch unabsehbaren Folgen führen kann.

Antikommunismus - die Grundtorheit unserer Epoche (Thomas Mann)

Die Sowjetunion trug die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus. Weil die späteren Alliierten Großbritannien, USA und Frankreich noch ganz im Geist der antikommunistischen Interventionskriege gegen die junge Sowjetunion (1917 - 1921) befangen waren, setzten sie zunächst auf die Karte einer Niederlage der Sowjetunion gegen Deutschland und duldeten die faschistischen Kriegsvorbereitungen. Die sehr späte Eröffnung der Westfront (6.6.1944 Landung in der Normandie) hat den Krieg unnötig und unter Millionen Opfern verlängert.

Auch in Deutschland teilte Hitler den Schreckenspopanz des „Bolschewismus“ „mit einem großen Teil der damaligen Bourgeoisie bis hin zum rechten Flügel und der Mitte der Sozialdemokratie“ (Fritz Fischer, Spiegel 2/1989). Der Antikommunismus war eine der entscheidenden Entstehungsbedingungen für den Faschismus und den Raubzug gegen die Sowjetunion.

Und heute? Trotz dieser historischen Erfahrungen ist auch heute der Antikommunismus

staatstragendes ideologisches Leitbild deutscher Innen- und Außenpolitik. Er wird aktuell vorrangig als „Extremismustheorie“ transportiert, in dem die entschiedensten Gegnerinnen und Gegner des Faschismus als dessen symbiotisches Spiegelbild verleumdet werden. Damit wird die Gefahr eines erstarkenden Faschismus bewusst in Kauf genommen.

Imperialistische Kriege sind Raubkriege

Die deutschen Kriegsziele Vernichtung allen jüdischen Lebens und Vernichtung des Bolschewismus weisen weit über den Charakter eines klassischen imperialistischen Krieges. Dennoch war er auch das. „Die endgültige Lösung liegt in einer Erweiterung des Lebensraumes bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes“, postulierte Hitler im August 1936 sein antibolschewistisches Eroberungs- und Kriegsprogramm. Herman Josef Abs, Vorstandsmitglied Deutsche Bank brachte es am 17.7.1941 auf den Punkt: Die Sowjetunion stände schließlich den Zielen im Weg, dass Deutschland Europa beherrsche und der Ferne Osten und Südamerika dem europäischen Export offen stünden. [Siehe Vortrag von Hermann J. Abs vor dem Handelspolitischen Ausschuß der Reichswirtschaftskammer am 17.7.1941, aus: Reinhard Kühnl - Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, Pahl-Rugenstein Köln, 1975, Seite 327f.]

Wir stellen fest: Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien schreiben die Ziele einer Rohstoffsicherung des Weißbuches von 2006 fort, setzen sie in weltpolitische Geltungsansprüche um und liefern permanent Kriegsgründe: „Freie Handelswege und eine gesicherte Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden weltweit neu geordnet. Verknappungen von Energieträgern und anderer für Hochtechnologie benötigter Rohstoffe bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Staatenwelt.

Zugangsbeschränkungen können konfliktauslösend wirken. Störungen der Transportwege und der Rohstoff- und Warenströme, z.B. durch Piraterie und Sabotage des Luftverkehrs, stellen eine Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand dar. Deshalb werden Transport- und Energiesicherheit und damit verbundene Fragen künftig auch für unsere Sicherheit eine wachsende Rolle spielen.“ (…)

Quelle und Adresse für Stellungnahmen: www.aachen.vvn-bda.de