22.06.2011
Abs forderte Weltherrschaft und daher die
Beseitigung der Sowjetunion
Thesen der Aachener VVN-BdA mit
aktuellen Bezügen
Anlässlich des 70. Jahrestages des Überfalls auf die
Sowjetunion fanden in Nordrhein-Westfalen um den 22. Juni herum
zahlreiche Aktionen, Mahnwachen, Veranstaltungen der VVN-BdA statt,
ferner Veranstaltungen von Bündnissen mit VVN-Beteiligung. Im
Rahmen einer Veranstaltungsserie hat die VVN-BdA Thesen zur
Geschichte, auch zur Wirtschafts- und Militärgeschichte, vorgelegt.
„Wir wollen in Form von Thesen einige historische Gesichtspunkte
mit unserer Gegenwart abgleichen,“ schrieb das Kollektiv der
VVN-BdA Aachen zum nachfolgenden Text, den wir zur Diskussion
stellen:
Am 22. Juni 1941 überfiel das faschistische Deutschland die
Sowjetunion. Der 22. Juni 1941 markiert einen reinen Angriffskrieg,
der dem Ziel des Aufbaus einer deutschen Weltmacht diente. Es war
der Beginn einer unfassbaren Katastrophe für die Menschen in der
Sowjetunion. Nach neueren Schätzungen starben etwa 28 Millionen
Zivilisten und mehr als acht Millionen Rotarmisten. Und es war ein
Vernichtungskrieg. Alles jüdische Leben sollte ermordet werden,
einen slawischen Staat sollte es in der folgenden Geschichte nie
mehr geben können. Spätestens seit dem Bau des Holocaust-Mahnmals
in Berlin bescheinigt sich die bundesrepublikanische Gesellschaft
permanent selbst, nie mehr in der Lage und willig zu sein, das
Ungeheuer des Faschismus wieder aufleben zu lassen. An dieser
Haltung kommen Zweifel auf, wenn wir erleben müssen, mit welcher
Militanz staatliche Organe Aufmärsche der geistigen Erben des
Hitlerfaschismus schützen.
Mobilisierung gegen
Kriegsgegner/innen ist Kriegsvorbereitung
Die Vorbereitungen des von den Nazis lange vor ihrer
Machteinsetzung angekündigten Überfalls auf die Sowjetunion
begannen unmittelbar nach der Machtübergabe an Hitler. Die
Voraussetzungen für den Krieg wurden geschaffen mit den Versuchen
der Eliminierung der Kriegs- und der Hitlergegner, die bereits ab
Februar 1933 in Schutzhaft und wenig später in Konzentrationslager
weg gesperrt wurden - sofern sie nicht sofort umgebracht wurden.
Und heute? Die Bundeswehr hält ein breites Instrumentarium zur
Zerschlagung demokratischen Widerstands von Kriegsgegnerinnen und
Kriegsgegnern bereit. Die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien
(Mai 2011) sehen den Einsatz der Bundeswehr zum „Heimatschutz“
vor. Der Einsatz aller Gattungen der Bundeswehr auf dem G8 Gipfel
2007 in Heiligendamm richtete sich gegen demokratischen Widerstand
zum G8 Gipfel. Auch auf diversen
„Zivilschutz-“Übungen der Bundeswehr wurden Streiks und
demokratische Bewegungen ins Visier genommen.
In der Bedrohung von Kriegsgegner/innen erkennen wir ein
friedensgefährdendes Potential.
Angriffe auf das Völkerrecht
bedeuten Krieg
Nach den Erfahrungen des 1. Weltkrieges waren die Völker und
Staaten bestrebt, ein neues Völkerrecht zu schaffen, das Staaten
das Recht zur Kriegsführung - ius ad bellum - entzieht bzw.
einschränkt. (…) Die Zerschlagung des sich zaghaft
herausbildenden, auf Frieden orientierten Völkerrechts durch die
Nazis mit der Inanspruchnahme des Rechts auf Kriegsführung gehört
zur Vorgeschichte des 2. Weltkrieges und des Überfalls auf die
Sowjetunion.
Und heute? Der Angriff der NATO auf Jugoslawien, der „Koalition
der Willigen“ auf den
Irak und der Krieg in und gegen Afghanistan sind Meilensteine in
der jüngsten Zerschlagung des gültigen Völkerrechts. Sie gipfeln
in der Anmaßung, aus „Schutzverantwortung“ gegenüber der
Zivilbevölkerung (responsibility to protect, R2P) (Besatzungs-)Armeen
in Marsch setzen zu können. Vorläufiger Höhepunkt dieser
Entwicklung ist der faktisch auch von der Bundesregierung mit
getragene Krieg gegen Libyen.
Krieg gebiert Ungeheuer
Das antisemitische Programm der Nazis war bereits in Hitlers
Schrift „Mein Kampf“ (1925) dokumentiert. Sofort nach Hitlers
Machteinsetzung wurden dann auch Jüdinnen und Juden in Deutschland
drangsaliert und gedemütigt, enteignet, aus dem Land gejagt und bis
zum 22.6.1941 insgesamt 900.000 ermordet. Doch erst mit dem
Überfall auf die Sowjetunion entfaltete der Antisemitismus seinen
furchtbaren eliminatorischen Charakter, industriemäßig wurden 6
Millionen Menschen ermordet mit dem einzigen Ziel, alle Jüdinnen
und Juden der Welt zu vernichten. Die Mordlust in Deutschland verlor
erst dann alle Hemmungen, als der Krieg das gesamte Leben bestimmte.
Und heute? Wir sind in Sorge angesichts der Bilder von
Soldatinnen und Soldaten der sog. westlichen Welt, die im Krieg alle
Hemmungen des zivilen Lebens überwinden, wenn sie (…) auf Kinder
schießen oder mit menschlichen Schädeln spielen (Bundeswehr in
Afghanistan). Wir befürchten, dass die zunehmende
Kriegsführungsfähigkeit Deutschlands und die Umrüstung der
Bundeswehr in eine Interventionsarmee zu einer Verrohung des
menschlichen Umgangs in der ganzen Gesellschaft mit heute noch
unabsehbaren Folgen führen kann.
Antikommunismus - die Grundtorheit
unserer Epoche (Thomas Mann)
Die Sowjetunion trug die Hauptlast bei der Zerschlagung des
Faschismus. Weil die späteren Alliierten Großbritannien, USA und
Frankreich noch ganz im Geist der antikommunistischen
Interventionskriege gegen die junge Sowjetunion (1917 - 1921)
befangen waren, setzten sie zunächst auf die Karte einer Niederlage
der Sowjetunion gegen Deutschland und duldeten die faschistischen
Kriegsvorbereitungen. Die sehr späte Eröffnung der Westfront
(6.6.1944 Landung in der Normandie) hat den Krieg unnötig und unter
Millionen Opfern verlängert.
Auch in Deutschland teilte Hitler den Schreckenspopanz des „Bolschewismus“
„mit einem großen Teil der damaligen Bourgeoisie bis hin zum
rechten Flügel und der Mitte der Sozialdemokratie“ (Fritz
Fischer, Spiegel 2/1989). Der Antikommunismus war eine der
entscheidenden Entstehungsbedingungen für den Faschismus und den
Raubzug gegen die Sowjetunion.
Und heute? Trotz dieser historischen Erfahrungen ist auch heute
der Antikommunismus
staatstragendes ideologisches Leitbild deutscher Innen- und
Außenpolitik. Er wird aktuell vorrangig als „Extremismustheorie“
transportiert, in dem die entschiedensten Gegnerinnen und Gegner des
Faschismus als dessen symbiotisches Spiegelbild verleumdet werden.
Damit wird die Gefahr eines erstarkenden Faschismus bewusst in Kauf
genommen.
Imperialistische Kriege sind
Raubkriege
Die deutschen Kriegsziele Vernichtung allen jüdischen Lebens und
Vernichtung des Bolschewismus weisen weit über den Charakter eines
klassischen imperialistischen Krieges. Dennoch war er auch das. „Die
endgültige Lösung liegt in einer Erweiterung des Lebensraumes bzw.
der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes“, postulierte
Hitler im August 1936 sein antibolschewistisches Eroberungs- und
Kriegsprogramm. Herman Josef Abs, Vorstandsmitglied Deutsche Bank
brachte es am 17.7.1941 auf den Punkt: Die Sowjetunion stände
schließlich den Zielen im Weg, dass Deutschland Europa beherrsche
und der Ferne Osten und Südamerika dem europäischen Export offen
stünden. [Siehe Vortrag von Hermann J. Abs vor dem
Handelspolitischen Ausschuß der Reichswirtschaftskammer am
17.7.1941, aus: Reinhard Kühnl - Der deutsche Faschismus in Quellen
und Dokumenten, Pahl-Rugenstein Köln, 1975, Seite 327f.]
Wir stellen fest: Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien
schreiben die Ziele einer Rohstoffsicherung des Weißbuches von 2006
fort, setzen sie in weltpolitische Geltungsansprüche um und liefern
permanent Kriegsgründe: „Freie Handelswege und eine gesicherte
Rohstoffversorgung sind für die Zukunft Deutschlands und Europas
von vitaler Bedeutung. Die Erschließung, Sicherung von und der
Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten werden
weltweit neu geordnet. Verknappungen von Energieträgern und anderer
für Hochtechnologie benötigter Rohstoffe bleiben nicht ohne
Auswirkungen auf die Staatenwelt.
Zugangsbeschränkungen können konfliktauslösend wirken.
Störungen der Transportwege und der Rohstoff- und Warenströme,
z.B. durch Piraterie und Sabotage des Luftverkehrs, stellen eine
Gefährdung für Sicherheit und Wohlstand dar. Deshalb werden
Transport- und Energiesicherheit und damit verbundene Fragen
künftig auch für unsere Sicherheit eine wachsende Rolle spielen.“
(…)
Quelle und Adresse für Stellungnahmen: www.aachen.vvn-bda.de
|