15.07.2012 "Ulrich
Sander beleuchtet die deutsche Wirtschaft im Dritten Reich" Das Mindener Tageblatt
berichtet über eine Veranstaltung mit Ulrich Sander
über Zwangsarbeit an Rhein und Ruhr - Espelkamper Straße nach IG-Farben-Manager benannt Minden
(lkp). Mit seinen Recherchen zu Verstrickungen der Wirtschaft in die
Arisierung jüdischer Firmen und die Ausbeutung von
Zwangsarbeitern hat sich Ulrich Sander nicht nur Freunde gemacht. "In
mein Büro in Lüdenscheid wurde eingebrochen", sagt
der Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)
beim Vortrag in Minden. Ein Zugpferd ist das Thema
aktuell offenkundig nicht. Zur Lesung des Buches, das Sander im April
veröffentlicht hat, ist gerade mal ein Dutzend
Zuhörer gekommen - darunter sogar einige von
außerhalb, aus Espelkamp. Seine
Vorstellung, analog zu den Stolpersteinen vor den ehemaligen
Wohnhäusern von Opfern der Nazis vor Tatorten der Wirtschaft
in der NS-Zeit Tafeln anzubringen - "Warntafeln gegen Täter"
-, stieß nicht unbedingt auf offene Arme. Oder
Umbenennungen gar? Die Initiative der VVN etwa, die Kolonie Kirdorf,
eine Bergarbeiter-Siedlung in Dortmund, nach dem Industriellen und
Hitler-Gönner Emil Kirdorf (1847-1938) benannt, umzubenennen,
endete nach erbittertem Streit mit einem - noch nicht umgesetzten -
Kompromiss, eine Erläuterungstafel anzubringen. Unterschiedlich
ist auch die Bewertung von Treffen von Industriellen und
Verbandsfunktionären auf der einen Seite und Nazis auf der
anderen. Solche Kontakte, die die Machtübergabe an Hitler und
damit das Ende von Weimarer Republik und Demokratie vorbereiteten, gab
es 1932/33 an Rhein und Ruhr in Fülle. Der Antrag, eine
Erinnerungstafel an der Villa Springorum in Dortmund anzubringen, wo
sich am 4. Januar 1933 der vormalige Reichskanzler und spätere
Hitler-Stellvertreter Franz von Papen mit führenden
Ruhrindustriellen getroffen hatte, um die Machtübertragung an
Hitler herbeizuführen, scheiterte im Stadtrat trotz einer
Mahnwache vor der Villa. Mehr in die Gegenwart
orientiert ist Sanders Bemühen, Entschädigungen
für die letzten Überlebenden von einst
schätzungsweise 15 Millionen Zwangsarbeitern zu erwirken.
Viele der Unternehmen, die ab Kriegsausbruch 1939 Zwangsarbeiter
einsetzten und zum Teil deren Tod mitverschuldeten, existieren heute
unter neuen Firmierungen. Dass auch nach so langer Zeit noch
Ansprüche bestehen könnten, sieht Sander auch dadurch
begründet, dass Firmen in den 1950er-Jahren auf eine Regelung
in einem wiedervereinigten Deutschland verwiesen. Den Osteuropäern
fehlten die Druckmittel Dass diese - von vielen gar
nicht mehr zu Lebzeiten von Zwangsarbeitern erwartet - 1990
tatsächlich geschah, führte dennoch nicht zu einer
unkomplizierten Lösung. Der
stärkste Druck, so Sander, sei von einer Initiative
amerikanischer Unternehmen gegen deutsche Konkurrenten hinsichtlich
einer Sammelklage ehemaliger jüdischer Zwangsarbeiter
gekommen. Dem seien deutsche Firmen durch freiwillige
Entschädigungen zuvorgekommen. Espelkamper Straße
nach Kriegsverbrecher benannt Ein vergleichbares
Druckmittel fehlte den Millionen osteuropäischen
Zwangsarbeitern jedoch. Sie erhalten, wenn überhaupt - an
ihren Leiden gemessen - sehr geringe Summen. Unterdessen
krankt Sanders Recherche - oftmals in bewusster Frontstellung zur
professionellen Unternehmensgeschichtsforschung - selbst am
Alterungsprozess. "Aus unserer siebenköpfigen
Geschichtskommission sind vier verstorben", bedauert er. Einen
kleinen Impuls kann er dennoch auch aus der Diskussion in Minden
mitnehmen. Auf den IG-Farben-Manager Max Ilgner (1899-1966) machen ihn
die Zuhörer aus Espelkamp aufmerksam. Wegen seiner
Tätigkeit in Norwegen wurde er in Nürnberg als
Kriegsverbrecher zu drei Jahren Haft verurteilt. Danach
übernahm er in der Flüchtlingsstadt bis 1955 die
Planung und Oberaufsicht beim Aufbau. Eine Straße
trägt seinen Namen bis heute - zum Leidwesen mancher
Espelkamper. Quelle: http://www.mt-online.de/lokales/minden/6871317_Ulrich_Sander_beleuchtet_die_deutsche_Wirtschaft_im_Dritten_Reich.html Weitere Infos: Handlanger, Täter und
Profiteure Verstrickung der Wirtschaft an
Rhein Ruhr in das NS-Regime http://www.mt-online.de/lokales/minden/6831040_Handlanger_Taeter_und_Profiteure.html Heute gibt es nur noch rund 4000
überlebende Kriegsgefangene 5,7 Millionen Rotarmisten in
Kriegsgefangenschaft: Einsatz für Entschädigung http://www.mt-online.de/lokales/minden/6871301_Heute_gibt_es_nur_noch_rund_4000_Ueberlebende.html |