Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

11.09.2012

Paul Pleiger

Görings allgegenwärtiger Wirtschaftsfunktionär

Ein Nazi aus Sprockhövel machte ganz große Karriere. „Görings allgegenwärtiger Wirtschaftsfunktionär“, nennt ihn Gustav Luntowski in seinem Buh „Hitler und die Herren an der Ruhr“. Am 28. September 1899 in Buchholz bei Sprockhövel Nähe Hattingen an der Ruhr als Sohn eines Bergmanns geboren, wird Paul Pleiger nach einer Schlosserlehre und einer Beschäftigung als Ingenieur der Harpener Bergbau AG, ab 1925 Inhaber einer Maschinenfabrik. Seine Nazikarriere  beschreibt Ernst Klee so: 1932 tritt er in die NSDAP ein und wird Ortsgruppenleiter, sowie Berater des Gauleiters Wagner. 1933 folgen seine Ernennungen zum SA-Sturmführer und zum Gauwirtschaftsberater der NSDAP in Westfalen-Süd. 1934 wird er beim Wirtschaftsbeauftragten des Führers und Reichskanzlers Wilhelm Keppler mit der Sonderaufgabe Deutsche Roh- und Werkstoffe beauftragt. Im Juli 1937 wird Paul Pleiger Mitgründer und Direktor der Reichswerke „Hermann Göring“ (in Salzgitter errichtet zur Erschließung deutscher Eisenerze für Rüstungsprojekte). Die Reichswerke wuchsen im Krieg durch Aneignung und Raub zum weltgrößten Konzern mit unzähligen Firmen: Erzbergbau, Kohlenabbau, Hütten- und Stahlwerke, Maschinenbau, Schiffahrt sowie Rüstungsbetriebe. 1939 wird Pleiger Wehrwirtschaftsführer und 1941 folgt die Aufnahme in den Reichsrüstungsrat. Als Reichsbeauftragter für Kohle der Reichsvereinigung Kohle ist er ab demselben Jahr Hitler direkt unterstellt und fungiert damit auch als Treuhänder des Erzgebiets Lothringen/Luxemburg sowie als Leiter der Berg- und Hüttenwerkgesellschaft Ost mbH. 1942 nimmt Speer ihn in seinen Rüstungsrat auf und er wird Reichsbeauftragter für die gesamte Wirtschaft des Ostens. Ab 1943 ist er Mitglied im Preußischen Staatsrat und wird mit dem Ritterkreuz mit Schwertern des Kriegsverdienstkreuzes sowie dem Goldenen Parteiabzeichen ausgezeichnet.

In Pleigers Konzern starben unzählige Arbeitssklaven an Entkräftung oder durch Mord. Anfang Oktober 1942 hatte er gemeinsam mit Robert Ley von der Deutschen Arbeitsfront im Essener Hotel Kaiserhof mit den Betriebsleitern von Grubenwerken im Ruhrgebiet ein Arbeitsessen veranstaltet, um diese zur schärfsten Disziplinierung der Arbeitssklaven, auch der normalen Arbeiter, anzuhalten und keine Skrupel zu zeigen. RAF-Chef Ley führte aus: „Die Kohle muß geholt werden, so oder so. Wenn nicht mit Ihnen, dann gegen Sie, meine Herren.“ Wenn man an der Ruhr versagte, dann sei es auch mit der Kriegsrüstung dahin, und das wäre im Herbst von Stalingrad die schiere Katastrophe gewesen, denn „hinter uns kommt nichts mehr, da ist alles aus (…) Deutschland wird dann vernichtet. Alles wird geschlachtet, gemordet, verbrannt und zerstört. Wir haben ja auch alle Brücken hinter uns abgebrochen, mit Absicht, das haben wir. Die Judenfrage haben wir in Deutschland praktisch gelöst. Allein das ist so etwas ungeheuerlich Großes.“ Wo soviel auf dem Spiel stand, da gab es keinen Raum für Mitleid und Geziere, „wenn ein Russenschwein geprügelt werden soll“. So schildert Adam Tooze in „Ökonomie der Zerstörung“ die Sitzung von Ley und Pleiger. Dieser habe hingefügt „Unter Tage ist es dunkel und Berlin ist weit vom Streb.“ Pleiger erzählte begeistert von den „Wirkungen des kleinen, aber feinen Konzentrationslagers“, das er zu nutzen pflege, um die Arbeiter in seinen Reichswerken Hermann Göring in Salzgitter Mores zu lehren. (Seite 609/610 bei Tooze)

Am 11. April 1949 wird Pleiger im Minister-Prozeß zu 15 Jahren Haft verurteilt. Nach Antritt seiner Haft in Landsberg wird er im März 1951 vorzeitig entlassen und anschließend wieder Leiter seiner Firma in Sprockhövel. Er stirbt im Juli 1985 in Hattingen. (Aus: Ernst Klee – Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt: S. Fischer, 2003.)

Ausführlich unter: http://www.sprockhoevel.de/fileadmin/user_upload/pdf/Archiv/Nationalsozialismus_in_Sprockhoevel.pdf (28.03.2008)

Siehe auch:

Pleiger stellt auf stur: Von NS-Verbrecher gegründete Firma verweigert Entschädigung