Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

12.06.2013

„Das Hitlergeschäft“ und seine Auswirkungen bis heute

Veranstaltung zur Kriminalgeschichte deutscher Banken und Konzerne

An diesem 10. Juni 2013  wurde  in der legendären Begegnungsstätte „Warenannahme zur Bettfedernfabrik"  in Hannover-Linden  neben der entscheidenden Rolle der Ruhrindustrie bei der Machtübertragung und Herrschaftsausübung der Nazis auch die nicht minder verhängnisvolle Rolle der Banken und der Finanzwirtschaft damals und heute beleuchtet. Dr. Diether Dehm, Künstler, linker Politiker, MdB, hatte zusammen mit der VVN-BdA Niedersachsen eingeladen. Es ging um das Thema "Das Hitlergeschäft - Zur Kriminalgeschichte deutscher Banken und Konzerne“. Gezeigt wurde auch die gleichnamige Wanderausstellung aus dem Büro Diether Dehm. Eingeladen waren ferner Eberhardt Czichon (Historiker, Autor: "Wer verhalf Hitler zur Macht?") und Ulrich Sander (Journalist, Bundessprecher  der VVN/BdA,  Herausgeber von "Von Arisierung bis Zwangsarbeit - Verbrechen der Wirtschaft" und Sprecher der Aktion Spurensuche). Diether Dehm, der auch Europapolitischer Sprecher der Linkspartei ist, führte aus: „Damals wie heute bedroht die Diktatur der Banken und Finanzmärkte die Demokratie.“ Dehm hielt ein Referat, wie es auch auf youtube zu sehen und hören ist:

Er schlug den Bogen von der Aufklärungsaktion über die Verbrechen der Wirtschaft, besonders der Ruhrindustrie 1933-1945, zur damaligen Rolle des Finanzkapitals, das in den Konzernen vielfach den Ton angab. Die Alliierten haben schon 1943 die deutschen Banken als Plünderer eingestuft, die als Kriegsverbrecher anzusehen sind. Diether Dehm: „Die durch die von den Großbanken und besonders der deutschen Bank intensiv verfolgten Arisierungen und Zwangsarbeiterausbeutung erreichten Profite waren Profite aus der ’Endlösung’.“ Bis auf einen Banker der Dresdner Bank wurde niemand aus der Finanzwirtschaft nach 1945 zur Rechenschaft gezogen. Schon gar nicht der Deutsche Bank-Chef Hermann Josef Abs, der von vielen zu Recht als Kriegsverbrecher angesehen wurde und zum einflußreichsten Banker und Politikberater in der BRD aufstieg.

„Das Hitlergeschäft“ und seine Auswirkungen bis heuteUlrich Sander führte dazu u.a. aus:

„Der Geschäftsführende Landesausschuss der VVN-BdA NRW schrieb im Oktober 2011 an die Occupy-Bewegung folgendes: Die VVN-BdA begrüßt und unterstützt die Anti-Banken-Proteste. Heute bewahrheitet sich erneut, dass die Forderungen der weltweiten antifaschistischen Bewegungen von 1945 hinsichtlich der notwendigen Entmachtung der ökonomischen Eliten der NS-Zeit berechtigt waren – und sind. Diese Forderungen gilt es heute zu verwirklichen, da z.B. die Deutsche Bank wieder eine verhängnisvolle Rolle in Politik und Wirtschaft spielt. Maßnahmen wie die Einschränkung von sozialen Rechten und der Rechte der Arbeiter und ihrer Organisationen, sowie Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern, die die Grundlagen von Demokratie und Freiheit der Menschen gefährden, haben in den 30er Jahren den Faschismus begünstigt.

Die VVN-BdA NRW erinnert daran, dass sie bereits am 30. Januar 2010 diesen Antrag gestellt hat: »An den Rat der Stadt Bonn (betr. Hermann-Josef Abs): Es wird beantragt: Am Gebäude der Deutschen Bank in Bonn wird eine Mahntafel angebracht mit einem Text, der darauf hinweist, dass an der Spitze dieser Bank der Bonner Bürger Hermann Josef Abs tätig war, der eine führende Rolle in der Wirtschaft der NS-Zeit spielte. Über Abs und die Deutsche Bank berichtete im März 1947 der Omgus-Report (Report einer US-amerikanischen Regierungsorganisation): »Es wird empfohlen«, »dass die Deutsche Bank liquidiert wird.« Die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank sollten »angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden, die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden«. Die Tafel soll auf die verhängnisvolle Rolle von Wirtschaftskreisen in der NS-Zeit hinweisen. Sie soll der Mahnung dienen, solche Verbrechen nie wieder zuzulassen.«

Weiter führte Ulrich Sander aus:

Mehrmals in jeder Woche bewegen sich gelbschwarze  BVB- Trikots über die Fernsehbildschirme, und der damit verbundene Skandal wird in den Artikeln über die Fankultur und die Fernsehwerbung per Bundesliga nicht thematisiert. Welchen Skandal meine ich? EVONIK hat so ziemlich alle Verbrecherfirmen in sich aufgenommen, die denkbar sind, eingeschlossen Teile der IG Farben, Degussa und Degesch, die wiederum in der Nazizeit von den deutschen Großbanken, an der Spitze die Deutsche Bank, gelenkt wurden. Evonik ist der Zusammenschluss des Ruhrkohlebergbaus mit großen Chemiebetrieben, als da sind: die Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt, die das Gold aus den Mündern der in deutschen Vernichtungslagern Ermordeten vermarktete und dann auch mit Degesch. Degesch lieferte das Zyklon B zur Massenvernichtung von Millionen Menschen!  Es stammte aus dem Hause Degussa, das nun zu Evonik gehörte. Dies alles wissen die Fans von Borussia Dortmund nichat, die mit den gelb-schwarzen Trikots herumlaufen. „Bitte teilen Sie dies mal den Fans mit,“ schrieb ich vielen Zeitungen. Nie wurde mein Brief veröffentlicht. Wir haben uns als VVN-BdA NRW an die Erforschung unbequemer Wahrheiten gemacht.

Eine Tafel vor jener Villa am Stadtwaldgürtel in Köln, wo Hitler, von Papen und Banken- wie Industrievertreter am 4. Januar 1933 alles für die Machtübertragung an die größte und furchtbarste Verbrecherbande der Weltgeschichte perfekt machten, gab uns die Anregung zu unserer Aktion und zu dem Buch „Vor Arisierung bis Zwangsarbeit“. Und auch die Stolpersteine für die Opfer, die bereits zigtausendfach verlegt wurden, standen mit Pate. Es sollte nicht nur der Opfer gedacht, sondern auch die Täter benannt werden.

Diese Gedenktafel der Stadt Köln befindet sich seit 1996 vor dem Hause Stadtwaldgürtel 35: » … In einem Gespräch wurden (hier) die Weichen für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen Wirtschaft an die SS.«

Als sich schließlich am 20. Februar 1933 Hitler und Göring in Berlin mit der Spitze des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (Vorsitzender: Gustav Krupp von Bohlen und Halbach) treffen, sagt Hitler, man stehe vor den letzten demokratischen Wahlen, und Göring bat zur Kasse, und so spendeten die rund 20 geladenen Industriellen für den Wahlkampf der NSDAP sofort drei Millionen Reichsmark. Die Aufrüstung, die Vorbereitung auf den Krieg und den Holocaust und die Eroberung neuen »Lebensraums« konnten beginnen. Sodann die Sklavenarbeit von Millionen Menschen, die nach Kriegs­beginn »ins Reich« geholt wurden, wo sie die Profite der Industriellen mehrten.

Ich schrieb vor einem Jahr an Thomas Gottschalk: Ich hätte Ihnen gern eine Wette angeboten, die wirklich ungewöhnlich ist. Frau Merkel könnte damit ins Guinness-Buch der Rekorde gelangen, so wie Sie bereits darin stehen. (…) Meine Wette hätte nun gelautet: Wetten dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt, wie sie straflos Tausenden Hinterbliebenen von Mordopfern die Entschädigung rauben und Millionen Arbeitern den Lohn verweigern kann. Der Beweis wurde am 3. Februar 2012 in Den Haag mit dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in der Klage Deutschland gegen Italien angetreten. Vielen Tausend Hinterbliebenen und ehemaligen Zwangsarbeitern aus Griechenland und Italien wurde das Recht abgesprochen, sich ihre Entschädigung einzuklagen. Frau Merkel sicherte damit den deutschen Unternehmern und dem deutschen Fiskus Unsummen, die den Naziopfern nach den Urteilen höchster italienischer und griechischer Gerichte zustehen. Es sind rekordverdächtige Zahlen. Das ist ein Rekord an Betrug.

Das Gericht in Den Haag lehnte das Klagerecht einzelner Bürgerinnen und Bürger gegen einen Staat ab, der „Immunität“ gegen solches Vorgehen  genieße. Es betonte aber auch, dass es eine moralische Verantwortung Deutschlands sehe, den NS-Opfern auch ohne Gerichtsspruch zu helfen.

Aus moralischen Gründen bezahlen jedoch die deutsche Wirtschaft und der deutsche Staat gar nichts. Das lehrt die Erfahrung. Staat und Wirtschaft hätten – so errechneten es Experten - 50 Milliarden Euro für die Zwangsarbeiterentschädigung zu zahlen gehabt, haben aber nur fünf Milliarden aufgebracht, und auch das nur unter dem Druck drohender Gerichtsurteile aus den USA und unter dem Versprechen, die Zahlungen sollten steuerabzugsfähig sein. Somit gingen die sowjetischen Kriegsgefangenen und die italienischen Militärinternierten leer aus, - für sie, die schwerste Sklavenarbeit in der deutschen Rüstungsindustrie leisten mussten, war nichts mehr übrig.

Wir alle sind in der Schuld dieser Menschen. Denn die heutige Wirtschaftskraft Deutschlands beruht auch darauf, dass dieses Land zwar den Krieg verloren, aber am Krieg gewonnen hat. Das Wirtschaftswunder wurde nur möglich, weil die deutschen Konzerne und Banken reicher aus dem Krieg herausgingen als sie hineingegangen waren. Hunderttausende Menschenleben waren der „Vernichtung durch Arbeit“ anheimgefallen und die Wirtschaft boomte sowohl vor wie nach 1945.

Unsere Aktion „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933 bis1945“ erweitert mit der heutigen Veranstaltung ihren Rahmen und geht über die Grenzen von NRW hinaus. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit mit den antifaschistischen Geschichtsarbeitern im ganzen Land. Es geht darum, eine Lücke in der Geschichtsarbeit zu füllen und einen Beitrag zur Freiheit der Wissenschaft zu leisten. Diese ist durch Diskriminierungen z.B. seitens des Verfassungsschutzes und der Regierungen gefährdet, welche auf ein Denkverbot zur antifaschistisch-antikapitalistischen Forschung gerichtet isind.