23.06.2013 Bankenmacht
kontra Demokratie Diether
Dehm im Jahre 1995 Für das „Schwarz-Braun-Buch -
Alternativer Verfassungsschutzbericht" hat Diether Dehm,
damals noch SPD-Politiker, heute MdB der Linkspartei, im Jahr 1995
einen geradezu visionären Artikel beigesteuert. Sein Fazit:
Faschismus als Bewegung und Staatsmacht hat, platt gesagt, immer in
wechselseitiger Beziehung zum vorher jahrzehntelangen
Demokratieabbau gestanden. Da dies auch heute gilt, wird die Linke erst
dann wieder voll handlungsfähig, wenn sie sich international
auf Kommunikations- und Treffpunkte orientiert, in denen mit einer
globalen Strategie der Macht der Großbanken
entgegengewirkt werden kann. Hier der
Wortlaut des Beitrags von Diether Dehm in dem von der VVN-BdA vor 18
Jahren herausgegebenen Buch, herausgegeben im Jahr 1995 von Ulrich
Sander und Anne Rieger unter Mithilfe von Dr. Hagen Blau: Diether Dehm Bankenmacht kontra Demokratie Vor
einem Jahr war ich in Frankfurt böse in die Schlagzeilen
geraten. Bei einem Streitgespräch mit André Brie
hatte ich gesagt: „Macht und Reichtum der
Großbanken sind auf dieser Welt wie ein
Krebsgeschwür.“ Für einen Stadtrat der
Bankenstadt Frankfurt mit ca. 40.000
„Bankarbeitsplätzen“ zu starker Tobak,
fanden selbst eigene Genossinnen und Genossen. FDP und CDU forderten
mich zum Rücktritt auf. Die weiteren Folgen waren eher
erfreulich: Auf zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen
konnte ich zur Rolle der Großbanken Stellung nehmen, konnte
ich differenzieren, daß ich nicht die vielen hundert
kleineren und mittleren Geld- und Kreditinstitute meine,
sondern die Macht der drei deutschen Großbanken, den
Internationalen Währungsfond und die Weltbank. Und
daß es nicht gegen Bankenarbeitsplätze ging, sondern
gegen die Großspekulanten, die ihre hasardeurhaften
Derivatgeschäfte und ähnliche gerade auf
Risiko der Angestellten betreiben. Derivate bleiben stets Wagnisse auf
Kosten der Kleinen (und oft selbst der Großen),
solange die Finanzmärkte so sehr von der realen
Wirtschaft abgehoben sind (wenn zum Beispiel die preisspekulierten
Warenmengen oft gar nicht real vorhanden sind; besonders schlimme
Beispiele für darauf notwendig folgende Derivat-Crashs:
Metallgesellschaft – erlitt bei derivaten
Ölgeschäften in den USA Milliardenverluste, im Zuge
der notwendigen Sanierung des Unternehmens gingen tausende von
Arbeitsplätzen verloren; der Sporthersteller Balsam
mit gerade mal 400 Millionen DM Umsatz im Jahr soll bei spekulativen
Devisengeschäften 14 Milliarden D-Mark aufs Spiel
gesetzt haben; das Versicherungsunternehmen Colonia
spekulierte in „Kurssicherungs- und
Termingeschäften“ mit einem dreistelligen
Millionenbetrag1). Beim 1. Mai in Frankfurt auf dem
Römerberg ging dann der Hauptredner, der Bremer
Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel, auf meine Aussage ein,
unterstrich sie und erklärte sie eher noch für
maßvoll, denn für übertrieben. Der
Internationale Währungsfond ist (nicht erst seit dem
Baker-Plan) engverbunden mit der Schuldenkrise der ärmsten und
der Schwellen-Länder. Der Baker-Plan setzte noch
förmlich Prämien dafür aus, die
Sozialetats in den Hungerregionen der Welt weiter
abzubauen, Kindersterblichkeit, Massenhunger und so weiter
billigend und in Kauf nehmend. Hatten in den 70ern des
„fetten Petro-Dollars“ die Kreditgeber die
Entwicklungsländer in die Darlehensverträge
zur einigermaßen akzeptablen Zinshöhe hineingelockt,
wurde ihre Devise, die Darlehen für Investitionen in
weltmarktorientierte Produktpaletten zu nutzen, danach so
verführerisch wie katastrophal. (Marokko zum Beispiel
stellte seine gesamte
Grundnahrungsmittelindustrie [vorwiegend
Hirse] um auf Schnittblumenexporte und – da auch
andere Länder gleichzeitig auf ähnliche Ideen
gebracht worden waren – sank der Schnittblumenpreis, oh
Wunder, auf zeitweilig weit unter die Hälfte.
Schuldenmoratorien über Moratorien folgten, die
Zinsen und Zinseszinsen häuften sich im hohen
zweistelligen Bereich. Infrastrukturen brachen zusammen,
Massenhunger, Seuchen und Kindersterblichkeit breiteten sich
aus.) Die hochgelobte Devise des ermordeten
Ex-Bankiers Herrhausen, der Dritten Welt einen
Schuldennachlaß zu gewähren, war dabei nicht ganz
hintergedankenfrei. Wußte der doch, daß die
Deutsche Bank sich weitgehend vornehm aus den Petro-Dollar
aufgeschwemmten Darlehens-Offerten herausgehalten hatte, aber
die ärgsten Mitkonkurrenten im internationalen
Kreditgeschäft in den armen Ländern kräftig
involviert waren. Hätte es einen Schuldenerlaß oder
eine Teilentschuldung gegeben, hätte das die ohnehin
abgeschriebenen und berichtigten Werte der Deutschen Bank nicht mal im
„Peanuts“-Bereich gejuckt, aber ihr
Marktanteile zusammengebrochener Mitbewerber
zugespült. Nun – dazu kam es nicht. Nicht wenige
haben das vorzeitige Ableben des Ex-Deutsche-Bank-Chefs Herrhausen mit
seinen vordergründig waghalsig klingenden
Entschuldungsaufrufen in Verbindung gebracht ... (zumal Morde und
Bekennerschreiben der RAF keine schützbaren Markenartikel
sind.). Es ist nicht nur die eine oder andere
Großbank, sondern die innere Logik des Weltfinanzsystems, die
überprüft werden muß, wenn von Demokratie
die Rede ist. Eberhard Czichon vermerkte in seinem Werk „Wer
verhalf Hitler zur Macht?“, daß es
zunächst durchaus eine zögerliche Haltung
gewisser Großunternehmen und Bankiers gegenüber
Hitlers Vorstellungen und Persönlichkeit gab. Mit dem
Zusammenbruch der Darmstädter Handelsbank
ändert sich das Bild. In einer Situation, in der die Nazis
erste Wahleinbrüche hatten (und nicht mehr weiter
Wahlen gewannen, sondern über eine Million
Wähler verloren!), fanden Hugenberg und Schacht in
Kreisen offene Ohren, die noch Monate vorher auf einen gewissen
„New Deal“ mit
Gewerkschaften und reformistischen Teilen der
Arbeiterbewegung gesetzt hatten. Die Rolle
der Großbanken war in der deutschen Geschichte nicht
einheitlich, aber in bestimmten Krisensituationen auf ein einziges Ziel
reduziert: die Pressung der Reallöhne auf das jeweilige
Krisenniveau. Dabei sind aktive rote Gewerkschaften stets im
Weg. Hat der Faschismus weltweit mehrere Gesichter, war die
Peronistische Diktatur mit der Pinochetschen schon nicht vergleichbar
und waren Militärdiktaturen in Griechenland wieder andere, als
in Lateinamerika und Militärdiktaturen
insgesamt wieder etwas anders als die
„völkische“ Bewegung der Deklassierten und
der Antisemitismus Hitlers wieder anders als Mussolinis
sozialdemagogische
Faschismusbegründung, so
hat Faschismus in allen Formen der Staatsmacht stets die Zerschlagung
der Gewerkschaften als oberstes Ziel. Das kooperative
Gesellschaftsmodell, in dem starke Gewerkschaften am
Regulationsmechanismus zumindestens korrigierend
partizipieren, ist dem Faschismus antagonistisch entgegengeordnet.
Insofern ist die berühmte Dimitroffsche Definition (wonach der
Faschismus an der Macht die offene Diktatur des radikalsten Teiles des
Finanzkapitals abbildet) in der Verknüpfung mit einer
vor dem faschistischen Machtantritt gelagerten Krisensituation durchaus
ein Hinweis in die richtige Richtung. Ökonomische
Krisen erweitern die soziale und kulturelle Dimension des Faschismus um
die äußere Attitüde von
Solidarität, nämlich die staatliche und/oder
völkische „Totalität“. So
entsolidarisiert der innere, polit-ökonomische Gehalt des
Faschismus ist, zum Beispiel die Löhne auf das jeweilige
Krisenniveau zu pressen, je purer und unmittelbarer das aktualistische
Interesse der jeweils hegemonialen Kapitalfraktion
„durchschlägt“, desto kollektiver,
nivellierter und äußerlich monolitischer wird die
Attitüde von Staat und Gesellschaft als
quasi-solidarische Pose. Das sind zwei eng
zusammenhängende, durchaus hochinteressante Aspekte:
Während die Dialektik aus wirklicher gesellschaftlicher
Solidarität als Basis echter, persönlicher Autonomie,
kreativer Individualisierung, kompetenter Gestaltung der
Lebensentwürfe von Klassen, Schichten, Gruppen und einzelnen
meistens in der Geschichte übersehen wurde und denen,
die ein solidarisches Staats- und Gesellschaftsgefüge
gefordert hatten, darum oft Platt- und Gleichmacherei unterstellt
worden war, ist andererseits die Dialektik übersehen
worden, daß der totalitäre faschistische (oder
andersgeartete autoritäre) Staat in
äußerlich solidarischer Pose und Form die innere
völlige Entsolidarisierung und „glatt
durchschlagende Kapitalverwertungslogik“ darstellt.
Es gibt darum und gab keinen Faschismus – welcher
Prägung auch immer – der nicht in enger Liaison mit
den jeweils nationalen, teilweise auch internationalen
großen Banken des Landes installiert und gehalten wurde. Das
Finanzsystem hat dabei den Kapitalismus in der
Krisenbewältigung wesentlich elastischer gemacht. Der
immer wieder in seiner Abstraktheit verkannte Marxsche Begriff der
„Profitrate“ (= durchschnittliche
Profitrate) mußte ja stets in seinem Mehrwertgehalt
diversifiziert werden: zum Beispiel in Gewinn, Steuern, Zinsen, Rente
etc.. Eng betriebswirtschaftlich war die Marxsche Profitrate
ohnehin nie konzipiert. Und: Warum sollte man sie national fassen? Je
internationalistischer die durchschnittliche Profitrate
gefaßt wurde, desto abstrakter, desto mehr verwies sie aber
auch auf die Regulativa der Kapitalbewegungen im Banken- und
Finanzsystem. Ablesbar ist die Kapitalakkumulation in
Zinsraten. In diesem Zusammenhang ist sie auch wesentlich
weniger von ihren einzelnen Kapitalteilen
kontrollier- und determinierbar. Die somit in Zukunft
noch schärfer auf uns zukommenden
Krisenbewegungen und -anfälligkeiten des
Kapitalismus führen also zu jenem Befund, den Czichon im
Embryostadium dieses Systems analysiert hat: in der Dominanz des
Finanzkapitals und seiner rigiden Logik durch die jeweilige Krise. Will
heißen: Auch aufgeklärte, liberale und
zunächst noch demokratisch redende
Bankenrepräsentanten werden auf Dauer und in Krisensituationen
ansprechbar für faschistische Kooperationspartner. So wie in
Österreich wieder mit Haiders FPÖ und in Italien mit
der Verbindung aus Fini und Berlusconi, hat der Liberalismus als
radikale polit-ökonomische Deregulationsbewegung
längst die Bündnisfähigkeit mit dem
Faschismus unter Beweis gestellt und somit seinen
staatspolitischen Gehalt als liberale Bürgertradition
eingebüßt. Das und wie diese
Finanzoligarchen die meisten Industriekonzerne mehrheitlich
kontrollieren, läßt schon demokratie-politisch,
sozial und ökologisch nicht allzuviel Gutes ahnen.
Aber auch eigene expansive und nachhaltige Kapitalentwicklungen (wenn
man überhaupt den Begriff „sustainable“ =
„nachhaltig“ auch auf Gewinne übertragen
könnte) werden durch ihre bornierten „Pawlowschen
Freßreflexe“ und eindimensionalen Raff- und
Vorwärtsstrategien nicht begünstigt. Überall
wo – billigend in Kauf genommen von den kontrollierenden
Banken – Industriekonzerne ihre
„treuhandähnlichen“
Auffreßaktionen hinter sich gebracht hatten, blieben
zumindest aktionärsinterne Fragezeichen bis
verbrannte Erde zurück. Siemens hat bis heute noch nicht
Nixdorf in die eigene Palette integriert, Daimler Benz hat eine
industrie-politische Verknüpfung von MTU, AEG,
Dornier und MBB in keiner Weise gewinnbringend zustande
gebracht. VW weiß mit der Angebotsdichte der aufgekauften
SEAT- und ˇSKODA-Produkt-Linien nichts anzufangen und hat sich
offensichtlich daran übernommen. Ob BMW die im Winter 1993
übernommene British Rover Group nur als Marktanteil oder auch
als neue Absatzperspektive generiert, bleibt abzuwarten. Aber
alles forciert von der jeweiligen „Hausbank“. Von
der Dämlichkeit der Herren Renaldo Schmidt,
Küppersbusch und anderen, die der Metallgesellschaft, der
Pleite bei Deckel-Maho und den Köpenickiaden eines Dr.
Schneider einmal ganz abgesehen. Die „Nieten in
Nadelstreifen“ siegen sich, wenn nicht zu Tode, dann
wenigstens sterbenskrank. Die zaghaften
Vorstöße der Bundesregierung gegen das
Depotstimmrecht, der Vorschlag der SPD, die wechselseitigen
Verflechtungen abzubauen und die Bankentreuhänder in
Aktionärsversammlungen künftig durch
Wirtschaftsprüfer und besonders qualifizierte andere Personen
zu ersetzen, die Beteiligungsmöglichkeiten zu limitieren,
zielen zwar sicher in die richtige Richtung, aber nicht mit dem
nötigen Effet und der internationalistischen Perspektive.
Zudem die britische Bankendiskussion (wo die Großbanken,
ähnlich wie bei uns, ihre Gewinnsteigerung von 1992 bis 1995
im Vergleich zu den zehn Jahren davor verdreifachen konnten), durchaus
längst zweifelsfrei herausgearbeitet hat,
daß eine steuerliche Abgrenzbarkeit der Bankengewinne kaum
möglich und allenfalls international in
Ansätzen realisierbar ist. Hermanus Pfeiffer verweist
darüber hinaus in seinem Werk „Die Macht der
Banken“ auch auf die hochinteressante
Lobbytätigkeit der Großbanken (ihre 8.129
personellen Institutionen) als Lobbyisten,
Berater (wie im Falle des Grünen Frankfurter
Stadtkämmerers Tom Koenigs, der durch einen CDU-Lobbyisten der
Deutschen Bank direkt bei der Privatisierung und
Konsolidierung beraten wird.). Da dies alles
mit Demokratie wenig zu tun hat und da Faschismus als Bewegung und
Staatsmacht, platt gesagt, immer in wechselseitiger Beziehung
zum vorher jahrzehntelangen Demokratieabbau steht, ist die Linke erst
dann wieder voll handlungsfähig, wenn sie sich international
auf Kommunikations- und Treffpunkte orientiert, in denen mit einer
globalen Strategie der Macht der Großbanken
entgegengewirkt werden kann. 1) Vergleiche:
„Frankfurter Rundschau“ vom 28. Februar 1995. |