Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

19.08.2016

Ein Zyklon-B-Produzent bekam in Wuppertal eine Ehrentafel

Aus der Schrift „Vergessene Orte“ – Eine Trassentour auf den Spuren der NS-Zeit in Wuppertal – Juni 2016

Villa Hörlein, Hubertusallee Nr. 18

Eine offizielle Tafel informiert über seine berufliche Laufbahn und würdigt seine Verdienste: „Unter seiner Leitung wurden umwälzende Entdeckungen insbesondere in der Tropenmedizin gemacht, so dass weltweit Medikamente aus Elberfeld wie das „Bayer 205“ (Germanin) gegen die gefürchtete Schlafkrankheit und „Plasmochin“ gegen Malaria eingesetzt wurden.“

Auf der Tafel „vergessen“ wurden aber die unrühmlichen Seiten des IG Farben Vorstands- und NSDAP-Mitglieds Heinrich Hörlein, die ihn am 16.8.1945 in Haft und 1947 auf die Anklagebank des IG Farben-Prozesses in Nürnberg brachten.

Auf der Tafel „vergessen“ wurden aber die unrühmlichen Seiten des IG Farben Vorstands- und NSDAP-Mitglieds Heinrich Hörlein, die ihn am 16.8.1945 in Haft und 1947 auf die Anklagebank des IG Farben-Prozesses in Nürnberg brachten.

Auch wenn Hörlein wegen der neuen politischen Prioritäten im Kalten Krieg von allen Anklagepunkten freigesprochen wurde (es konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er als Aufsichtsratsmitglied der Degesch von der Verwendung von Zyklon-B in Auschwitz und als IG Farben-Vorstand von den medizinischen Versuchen in den Konzentrationslagern gewusst hatte), sollten hier doch einige „Verstrickungen“ von Hörlein und seinen Forschernbenannt werden.

Giftgasforschung für die Nazis

Als Direktor des IG-Farben-Werks in Wuppertal-Elberfeld hatte er – ganz in der verbrecherischen Tradition von Carl Duisberg – die Gesamtleitung der Nervengasforschung bei IG Farben Wuppertal und Leverkusen. In seinen Elberfelder Laboren entwickelte Prof. Gerhard Schrader die neuen Nervengifte Tabun und Sarin, die von Anfang an auch militärisch genutzt werden sollten.

Getestet wurden die Nervengifte im Selbstexperiment in Elberfeld und vor allem in der wehrmachtseigenen Gaskammer in der Zitadelle in Berlin Spandau. Nachdem die IG Farben und das Heereswaffenamt ein großtechnisches Verfahren zur Tabun-Produktion entwickelt hatten, wurde in Dyhernfurth bei Breslau eine Nervengasfabrik von der IG Farbenindustrie errichtet. Der militärische Einsatz von Giftgas scheiterte schließlich an technischen Problemen, geringen Produktionsmengen wegen Rohstoffmangel und ab 1944 an der Luftüberlegenheit der Alliierten undnicht an den (ethischen) Bedenken von Hörlein und Co., wie kolportiert wird.

Menschenversuche

Bereits seit 1925 wurden Bayer-Präparate gegen Malaria in der „Heil- und Pflegeanstalt“ Düsseldorf Grafenberg an Kranken ausprobiert. In der NS-Zeit radikalisierten sich die Menschenversuche: So wurden in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch-Institut und dem Institut für Wehrhygiene der Luftwaffe in der sächsischen „Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf“ über 100 PatientInnen mit Malaria infiziert und dann mit Bayer-Präparaten „behandelt“. Nicht alle Patienten überlebten die Menschenversuche. Beraten wurden die Menschenversuche von Prof. Walter Kikuth, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der IG Farben Elberfeld. Zudem war seit 1939 eine technischeAssistentin aus Leverkusen ins Arnsdorfer Labor entsandt worden.

Zwangsarbeit

Heinrich Hörlein war auch direkt für den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen im Elberfelder Werk verantwortlich. 567 ZwangsarbeiterInnen, Belgier, Franzosen, Holländer, Spanier, Ukrainer, Polen und Russen waren in der Simonstraße112 untergebracht. Mindestens 12 ZwangsarbeiterInnen und ein Kleinkind kamen ums Leben.

Besonders tragisch ist die Geschichte von Jerzy Grodzicki: Die im Wuppertaler IG-Farben-Werk beschäftigten polnischen Zwangsarbeiter Jerzy Grodzicki und Karl Pohl wurden von der Gestapo am 12.1.1941 wegen „verbotenem Umgang mit deutschen Mädchen“ festgenommen. Der Werkschutz von IG Farben hatte Liebesbriefe abgefangen. Den beiden polnischen Zwangsarbeitern wurde vorgeworfen, dass sie „deutsche Mädchen“ getroffen und mehrfach in Gastwirtschaften eingeladen hätten.

Die Gestapo beantragte Schutzhaft für beide. Karl Pohl entging aber der KZHaft, weil die SS ihn aufgrund seiner äußeren Erscheinung in einem sog. Rassegutachten für „eindeutschungsfähig“ hielt. Jerzy Grodzicki war hingegen nicht „deutsch“ genug, er wurde ins KZ Mauthausen deportiert, wo er am 14.1.1943 im Außenlager Gusen ums Leben kam.

Kontakt: info[at]wuppertaler-widerstand[dot]de

http://www.wuppertaler-widerstand.de/vergessene_orte_trassentour_2_online.pdf