Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

05.03.2018

Umfassende Widerstandsaktionen in Köln – und brutale Racheakte der Gestapo – Der Todesmarsch Köln – Siegburg - Lüdenscheid 1945

Am 4. März 1945 besetzten die Alliierten die Stadt Köln. Dort kämpfte eine unvergleichlich rege Widerstandsbewegung gegen die Nazis. Vor der Besetzung Kölns gingen die Nazis mit großer Brutalität gegen den Widerstand vor, ermordete viele Häftlinge und entsandte weitere auf einen Todesmarsch nach Osten. Es folgen Informationen aus Köln und aus dem Sauerland am Ende des Krieges

Die Bestrebungen des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ wirkten auch von der Westgrenze her ins Rhein-Ruhr-Gebiet. So wurde in Duisburg die Zeitung „Volk und Vaterland“ vom März 1944 verteilt, die das Komitee „Freies Deutschland“ für den Westen in Frankreich herausgab. Auch in Köln stellte sich die von der KPD geführte Widerstandsorganisation auf die Grundlagen des Nationalkomitees. Sie erweiterte ihren Einfluss bis in durchaus bürgerliche, ja kapitalistische Kreise. So arbeitete sie zusammen mit dem Direktor des rheinischen Braunkohlensyndikats, Dr. Becker, Mitglied der NSDAP, dem katholischen Arzt Dr. Mertens, dem Leiter einer Bibelforschergruppe, Peter Stahl, einem Regierungsinspektor im Arbeitsamt und dem prominenten Sozialdemokraten Bott. Sie versteckte jüdische Familien, rief zur Sabotage der Kriegsproduktion auf, beherbergte desertierte Soldaten, verteilte Flugblätter, klebte antifaschistische Plakate und rief in Wandlosungen zum Sturz Hitlers und zum sofortigen Friedensschluss auf. In Köln waren um diese Zeit auch Widerstandsgruppen französischer Zwangsarbeiter um die ehemalige Opernsängerin Martha Heublein, sowjetische Widerstandsgruppen und Jugendgruppen der Edelweißpiraten aktiv. Manche von ihnen griffen auch zu den Methoden des Partisanenkampfes, lieferten sich mit der Gestapo und SS Feuergefechte in der zerstörten Stadt und erschossen führende Nazifunktionäre, darunter auch den Kölner Gestapochef.

Mit drakonischem Terror unternahmen die Faschisten vor der Befreiung Kölns durch die Alliierten noch einen letzten Rachefeldzug, dem die führenden Mitglieder des Kölner Nationalkomitees, antifaschistische Jugendliche, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter zum Opfer fielen. Die bewaffneten Aktionen in Köln sind eines der wenigen heute bekannten Beispiele dafür, daß auch der deutsche Widerstand Ansätze von bewaffnetem Kampf kannte. Nicht nur in den Partisanenabteilungen fast aller europäischen Staaten kämpften auch deutsche Antifaschisten mit, sondern auch in Deutschland selbst gab es Ansätze von Partisanenaktionen. Auf ihr Konto gingen Gefechte mit regelrechten Polizei-, Gestapo- und Wehrmachtseinheiten sowie eine gewaltsame Gefangenenbefreiung. (Quelle: D. Peukert „Ruhrarbeiter gegen den Faschismus Ffm 1976)

Die von Peukert geschilderte Widerstandsbewegung löste heftige Gegenaktionen der Gestapo aus. Diese führten zu Massenerschießungen – mit Genehmigung des Reichssicherheitshauptamtes, das von juristischem Vorgehen abriet. Zwischen dem 25. Februar 1945 bis Anfang März 1945 fanden im Raum Köln mehrere Erschießungen von Häftlingen der Arbeitserziehungslager statt, die letzte am 1. März 1945, unmittelbar vor dem Eintreffen der alliierten Verbände. Insgesamt wurden in Köln etwa 300 Zwangsarbeiter umgebracht. Das Berichtet Daniel Blatmann in „Die Todesmärsche“ 2011, Seite 431.

Grete Humbach berichtete in „Gegen den braunen Strom“, Kölner Widerstandskämpfer/innen berichten, 1991, als eine der wenigen, die dann auf den Todesmarsch nach Osten geführt wurden. Vorher geschah dies bei der Zerschlagung des Kölner „Nationalkomitees Freies Deutschland“:

Bei unserer Verhaftung im November 1944 sind bei uns Pistolen und Munition gefunden worden. Mein Sohn Gerd hatte Munition vom Sennelager geschickt. Wir haben uns gesagt: wenn die uns kriegen, drücken wir drauf, und ehe wir draufgehen, gehen von denen auch welche drauf. Der Jakob Zorn, der hat ja auch geschossen. Von den anderen aber hat keiner die Waffe eingesetzt, wahrscheinlich, weil wir überrascht worden sind. Das war vielleicht auch unser Glück, denn schon unten an der Tür sagte der Hoegen (Gestapo) zu meinem Mann: „Wenn einem von uns hier was passiert, verreckst Du auf der Stelle.“ Den Jakob Zorn wollten sie auch gleich vor dem Haus aufhängen. Der Sülzgürtel ist eine Allee mit Bäumen zu beiden Seiten. Aber der Kommissar Kütter hielt sie davon ab: „Den brauchen wir noch zur Vernehmung.“

Alle, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung aufhielten, wurden verhaftet. Wilhelm Tollmann versuchte, sich durch einen Sprung aus dem Fenster der zweiten Etage zu retten. Schwerverletzt konnte er sich zunächst noch in der Trümmerumgebung verbergen, doch einige Stunden später fand man ihn doch. (Auch der 16jährige Sohn von Grete, Heinz Hambach, wird nicht besser behandelt als die anderen.)

Für mich, das muß ich immer wieder sagen, war es das schlimmste Erlebnis. als sie den Heinz gleich am ersten Tag in Brauweiler verprügelt haben und ich seine Schreie hörte. Wie er schrie: „Ich hab doch alles gesagt..." Als er nach der Vernehmung rauskam, hatte er die Hände auf dem Rücken gefesselt und ich konnte sehen, daß er kaum noch stehen konnte. Ich sagte: „Heinz, laß Dich doch auf die Erde fallen.“ Das hat er auch gemacht, aber als dann die Gestapo kam, brüllten die: „Was, Du Sau willst Dich noch hier hinlegen..." Und dann jagten sie ihn mit Fußtritten wieder hoch.

Für mich selbst habe ich erstmal nicht damit gerechnet, daß ich hier wieder rauskäme, in der ersten Zeit bestimmt nicht. Aber ich muß sagen, daß ich keine Prügel bekommen habe. Der Hoegen hatte zwar meinem Mann, der vor der Vernehmung im Flur stand, gedroht: „Siehst Du Deine Frau? Wenn Du uns nichts gestehst, kannst Du sie gleich schreien hören.“

Die Einschätzung der Widerstandsgruppe, daß der Krieg bald ein Ende finden müsse, war nicht verkehrt. Im Rheinland rückte die Westfront näher und erforderte eine Verlegung der Gefangenen aus Brauweiler ins Zuchthaus nach Siegburg. So blieb die Haftzeit auf wenige aber deswegen nicht weniger schlimme Monate beschränkt. Manches in Abwesenheit gefällte Todesurteil wurde nicht mehr vollstreckt...

Wir Frauen sind im Bergischen befreit worden. Wo genau, das kann ich nicht mehr sagen. Vom Sondergefängnis Brauweiler aus wurden wir am 10. Februar 1945 ins Zuchthaus nach Siegburg verlegt. Das Sondergericht sollte in einer Villa in Königswinter tagen. Aber dazu ist es gar nicht mehr gekommen. Im Gefängnis brach Flecktyphus aus. und es wurde Quarantäne verordnet. Von den Frauen war ich die erste, die daran erkrankte. Zwei Mitgefangene haben uns gepflegt. denn die Gefängniswärterinnen weigerten sich, in unsere Nähe zu kommen. Diese Pflege hat uns vielleicht das Leben gerettet. Hinterher wog ich nur noch 82 Pfund. Als die Front immer näherrückte, sind die Frauen zunächst noch in Siegburg zurückgeblieben. Aber dann haben sie uns doch verschickt. Zuerst in Arbeitslager. Zwei oder drei Mal sind wir verlegt worden. Beim letzten Transport blieben wir einfach am Wegrand sitzen. Als die Tiefflieger kamen, durften wir zur Seite gehen. Danach sind wir einfach nicht mehr mitgegangen. Niemand kümmerte sich mehr darum. Wir waren eine Gruppe von sieben Frauen. In einer Scheune bei einer Bauersfrau konnten wir zunächst bleiben. Ein oder zwei Tage später waren die Amerikaner da, und wir waren befreit.

Von Lüdenscheid aus sind wir zu Fuß zurück nach Köln gegangen. Da habe ich dann erfahren, daß mein Mann und der Heinz noch in Wetzlar waren. Es kam ein Transport der Engländer mit einigen politisch Verfolgten, aber mein Mann und Heinz waren nicht dabei. Da bin ich noch am selben Tag mit dem Wagen, der wieder nach Wetzlar zurück kehrte. mitgefahren. Zu dritt sind wir noch eine Zeit in Wetzlar geblieben, und gemeinsam sind wir später nach Köln zurückgekommen. Das war Mitte Juni 1945.

Grete Humbach (links unten in KZ-Kleidung) protestiert im Bundestag zusammen mit anderen Antifaschisten gegen die Verjährung von Naziverbrechen, Bonn, Ende der 60er Jahre.

Grete Humbach (links unten in KZ-Kleidung) protestiert im Bundestag zusammen mit anderen Antifaschisten gegen die Verjährung von Naziverbrechen, Bonn, Ende der 60er Jahre.

Grete Humbach

Junge Welt vom 06.05.2005

Leben für den Widerstand: Ein Nachruf auf Grete Humbach

Die Kölner Kommunistin und Antifaschistin starb nur wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag (22.2.1905-20.4.2005)

Von Pascal Beucker

Die Bilder von Marx und Lenin hingen bis zuletzt in ihrem Zimmer im Seniorenhaus »St. Maria«. Und auch ihre Wünsche und  Träume von einer besseren, gerechteren Welt hatte sich Grete Humbach bis zum Schluß bewahrt: »Ich werde es nicht mehr erleben, aber die Hoffnung, daß es sich positiv ändert, habe ich nach wie vor«, sagte die Kölner Kommunistin und  antifaschistische Widerstandskämpferin in einem Gespräch noch kurz vor ihrem 100. Geburtstag am 22. Februar dieses Jahres.

Keine Stunde für den Krieg

Grete Humbach konnte auf ein langes, bewegtes Leben zurückblicken. Mit fünfzehn Jahren trat sie 1920 der Sozialistischen Arbeiterjugend SAJ bei. 1923 zog sie mit ihrem späteren Mann Ferdi nach Köln um. Mit ihm zusammen wechselte sie ein Jahr später zu den Jungsozialisten und von dort in den Internationalen Kampfbund ISK. 1931 fanden die beiden ihre endgültige politische Heimat: die Kommunistische Partei. »Mein Vater hat sich damals mächtig aufgeregt, als ich in die KPD gegangen bin«, erinnerte sich Grete Humbach gegenüber dem Autor. »Das hat er nie begreifen können.« Aber wie auch? »Mein Vater war alter Sozialdemokrat.« Auch während der Nazizeit waren die Humbachs für die KPD aktiv – nun allerdings illegal und konspirativ. Bereits im Jahr der Machtübernahme 1933 wurde Ferdi das erste Mal verhaftet - nicht das letzte Mal.

Nichtsdestotrotz beteiligten sich die Humbachs 1943 an der Gründung der Kölner Gruppe des »Nationalkomitees Freies Deutschland« (NKFD), der mit bis zu 200 Mitgliedern am besten organisierten und größten Widerstandsorganisation der letzten Kriegsjahre in der Domstadt.

Ihre Wohnung im Sülzgürtel 8 diente dem antifaschistischen Kreis als geheime Anlaufstelle. Mit Flugblättern, Klebezetteln und Wurfmaterialien wurden Arbeiter zur Sabotage der Kriegsproduktion und Soldaten zur Desertion aufgerufen:

»Arbeiter und Soldaten: Keine Stunde für den Krieg. Geht nicht  zur Front. Kämpft mit uns für den Frieden. Für die Freiheit. Für die Volksfront. Gegen die Nazis! Komitee der Volksfront.«

Doch im Herbst 1944 wurde die Gruppe ausgehoben. »Alles flog  auf, als ein Genosse unter schwerster Folter schließlich unsere Adresse preisgegeben hatte«. Die komplette Leitung des Komitees und insgesamt 59 Mitglieder wurden verhaftet. Mehrere Mitglieder starben in der Gestapohaft. Auch Grete, Ferdi und Heinz Humbach wurden in das Gestapo-Sondergefängnis Brauweiler verbracht. Nur der ältere Sohn Gerd wurde nicht inhaftiert: Er war zu der Zeit Soldat an der Ostfront.

Als die Westfront näherrückte, wurden die Gefangenen im Februar 1945 ins Zuchthaus nach Siegburg verlegt. Hier  erkrankte Grete lebensbedrohlich an Flecktyphus. Aber sie hatte trotzdem Glück: Bei einem Transport in ein Arbeitslager kam sie gemeinsam mit sechs anderen Frauen im Bergischen frei:

»Als die Tiefflieger näherkamen, durften wir zur Seite gehen.  Danach sind wir einfach nicht mehr mitgegangen. Niemand kümmerte sich darum.« Die Gruppe kam in der Scheune einer Bauersfrau unter. »Ein oder zwei Tage später waren die Amerikaner da, und wir waren befreit.« Auch ihr Mann und ihr Sohn Heinz überlebten die Nazi-Torturen. Sie konnten kurze Zeit später aus Wetzlar nach Köln zurückkehren.

»Geheimbündelei«

Es begann die Zeit des Wiederaufbaus. Grete Humbach gehörte  dem Entnazifizierungsausschuß für den Regierungsbezirk Köln an. Ihr Mann war Stadtverordneter im ersten Kölner Rat nach dem Krieg. Aber seine Gesundheit war stark angegriffen: In der Nazi-Haft war er an Lungentuberkulose erkrankt. Ferdi Humbach starb im September 1947. Zusammen mit ihren beiden Söhnen engagierte sich Grete Humbach in der Folgezeit in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) - und natürlich weiter in der KPD. So organisierte sie die KPD-Kinderaktion »Frohe Ferien für alle Kinder«, die Reisen in  die DDR durchführt. Das brachte ihr in der hysterisch antikommunistischen Stimmung der frühen Bundesrepublik eine Vorladung vor den Untersuchungsrichter ein. Nach dem KPD-Verbot 1956 wurde gegen sie mehrfach wegen »Geheimbündelei« und »Staatsgefährdung« ermittelt. Anders als ihre Söhne Heinz und Gerd, die in der Adenauer-Ära beide fast zwei Jahre in Haft verbringen mußten, wurde sie allerdings nie verurteilt. Die Zeiten der illegalisierten Parteiarbeit endeten erst 1968 mit der Gründung der DKP. Natürlich war Grete Humbach eine der Mitgründerinnen.

Bis in die 1980er Jahre hinein blieb sie politisch aktiv und fehlte auf kaum einer Demonstration im Rheinland. Sie sei »so eine Art Berufsdemonstrantin« gewesen, erinnert sich ihre Schwiegertochter Helga. Irgendwann mußte auch Grete Humbach dem Alter ihren Tribut zollen. In ihren letzten Jahren hörte und sah sie nicht mehr gut, konnte auch nicht mehr laufen.

Dennnoch verfolgte sie aufmerksam das politische Geschehen:

»Ich lese noch sehr viel.« So verbitterte sie denn auch der wieder aufkeimende Neofaschismus tief: »Daß die wieder so erstarken konnten, ist mir unbegreiflich.« Wie gerne wäre sie  auch noch mit ihren 100 Jahren gegen die alten und die neuen Nazis auf die Straße gehen! Aber es gingt nicht mehr.

An dem Haus im Sülzgürtel 8 erinnert heute eine Gedenktafel an  die Kölner Gruppe des NKFD. »Ich würde alles genauso wieder machen«, sagte Grete Humbach im Rückblick auf ihr bewegtes Leben. Nur wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag verstarb die unerschütterliche Kommunistin und Antifaschistin in der Nacht vom 19. zum 20. April. Ihre Beisetzung findet am 10. Mai auf dem Kölner Südfriedhof statt.

Widerstand an Rhein und Ruhr

Aus dem Buch „Widerstand an Rhein und Ruhr 1933-1945“ (herausgegeben von der VVN NRW, 1969, Verfasser: Karl Schabrod)

Kölner „Nationalkomitee Freies Deutschland“

Nach der Bildung eines nationalen Komitees „Freies Deutschland“ in Moskau und in Paris kam es im Sommer 1943 auch in Köln zu dieser Komiteebildung. Diesem Kölner Nationalkomitee „Freies Deutschland“ traten innerhalb kurzer Frist 59 Mitglieder bei, die nicht untätig dem Kriegsende entgegensehen wollten. Sie verfertigten Wurfzettel und schrieben Soldatenbriefe. Einer dieser Briefe lautete:

„Kameraden!

Wir alle, die wir Männer und Frauen, Kinder, Verwandte und Bekannte und Hab und Gut verloren, wir haben auch unsere letzten Illusionen aufgegeben. Wir wissen, was uns erwartet, wenn dieser unsinnige Krieg nicht eingestellt wird.

Wir wollen Frieden!

Wir wollen Freiheit!

Wir wollen kein Blutbad auf deutschem Boden!

Wir wollen nicht die völlige Zerstörung unserer Heimat!

Wir wollen keine Terrorangriffe mehr!

Man kann nicht mit Greuelpropaganda ein ganzes Volk verblöden, man kann nicht ein ganzes Volk zwingen, zu verbluten, um die Fanatiker zu retten, die Elend und Verderben von Millionen Menschen auf dem Gewissen haben!"

Die Gestapo nahm bis Ende 1944 etwa 500 Verhaftungen vor. Sechs Angeklagte starben bei der Voruntersuchung. Von den acht Angeklagten im Prozeß Häublein waren fünf Deutsche und drei Franzosen. Zwei Deutsche und ein Franzose wurden zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Siegburg am 18. Januar 1945 erschossen. (Akz. 1/44)

Zwischen dem Kölner „Komitee“ und den „Edelweißpiraten", anderen Deutschen und Ausländern, die in Köln-Ehrenfeld eine Widerstandsgruppe von ca. 150 Personen darstellten, gab es eine Verbindung. Sehr einfach, aber einleuchtend, hieß es Ende 1944 in ihren Flugblättern:

„Wir wollen nicht für die Nazis sterben, sondern für Deutschland leben! Wir wollen Frieden!“

Die Gestapo schätzte, daß es im Dezember 1944 wohl 20 Widerstandsgruppen in Köln gab, die auch über Waffen verfügten und in Feuergefechten der Polizei und den Funktionären der Nazipartei empfindliche Verluste beibrachten.

Im Lagebericht der Gestapo vom 30. Januar 1945 heißt es darüber:

„Unter den Ermordeten befinden sich fünf politische Leiter, ein SA-Mann, ein HJ-Angehöriger, sechs Polizeibeamte, darunter der Leiter der Staatspolizeistelle Köln, SS-Sturmbannführer Reg.-Rat Hofmann, der am 26. November 1944 im Kampf gegen eine Bande im Stadtteil Köln-Klettenberg fiel, und zwei weitere Beamte der Geheimen Staatspolizei, elf Zivilisten und fünf Wehrmachtsangehörige. Von den begangenen Morden sind bis jetzt acht nicht aufgeklärt worden.“

Die SS hauste in Köln-Ehrenfeld im November und Dezember 1944 wie in Feindesland. Sie nahm zweimal am Bahndamm öffentliche Hinrichtungen vor, bei denen am 25. Oktober 1944 elf und am 10. November 1944 13 angebliche Angehörige von Banden erhängt wurden. In der Mehrzahl waren es Jugendliche, der jüngste 15 Jahre alt, die ohne Verfahren und Urteil kaltblütig zur Abschreckung ermordet worden sind. (Archivbelege Nr. 3149-52)

Der 20. Juli 1944 in Westdeutschland

Das Mosaikbild des Widerstands gegen den Hitlerfaschismus und den Hitlerkrieg an Rhein und Ruhr weist noch viele leere Stellen auf. Es ist unfertig, und es muß notgedrungen den späteren Geschichtsforschern überlassen werden, die Teilabschnitte zu überprüfen und zu ergänzen. Die Methode, anhand von Prozessen gegen Widerstandsgruppen und Einzelpersonen herauszufinden, welchen Widerstand sie geleistet haben, ist nicht immer brauchbar. Sie versagt z. B. völlig bei der Aufhellung des Zusammenhangs des 20. Juli 1944 mit Gruppen oder Personen im Rhein-Ruhrgebiet. Aktive Mitkämpfer dieses Gebietes konnten in den Prozessen nicht ausfindig gemacht werden. Vielleicht gibt der Zeitungsbericht Hinweise, den Dr. Hermes 1945 in „Neue Zeit", Berlin, veröffentlicht hat (wiedergegeben bei Günter Weisenborn, „Der lautlose Aufstand“, S. 91):

„Der räuberische Überfall auf Polen war für mich stärkster Antrieb, meine ganze Kraft dem Versuch zu widmen, Adolf Hitler zu stürzen. Im Rheinland bildeten wir einen Kreis, der sich der illegalen Propaganda und der Erarbeitung einer neuen Staatsordnung widmete und der sich vorbereiten wollte, am Neuaufbau Deutschlands mitzuarbeiten, sobald es gelungen sein würde, Adolf Hitler und sein Terrorsystem zu beseitigen. Ich arbeitete damals eng mit dem jetzigen Oberbürgermeister von Mönchengladbach, Elfes, mit Nikolaus Gros aus Köln, Hein Körner aus Bonn und einigen anderen Männern zusammen.

Unser Kreis arbeitete ein vollständiges Programm für ein neues Deutschland aus. Damals nahm ich die ständige Verbindung mit Jakob Kaiser auf."

Wie in ganz Deutschland sind auch in den Großstädten an Rhein und Ruhr nach dem 20. Juli 1944 eine Serie von Verhaftungen ehemaliger Zentrumsleute, SPD- und KPD-Funktionäre durchgeführt worden. Die meisten kamen nach wenigen Wochen wieder frei, der Rest kam in Konzentrationslager, und zwar überwiegend nach Sachsenhausen, wobei eine Anzahl ihr Leben lassen mußten, z. B. auch der ehemalige SPD-Landesrat Paul Gerlach aus Düsseldorf.

Bei Günter Weisenborn ist auf Seite 305 seines obengenannten Berichts noch eine Anmerkung über die breite bürgerliche Widerstandsgruppe in Essen nachzulesen. Dort heißt es:

„Auch im Ruhrgebiet gab es Beispiele wirksamen und gut überlegten Widerstands, so in Essen eine gründlich informierte Gruppe um den verstorbenen Zentrumsabgeordneten Dr. Heinrich Steffensmeier und den Verleger Walter Bacmeister herum, der sich an die 100 Personen angeschlossen hatten und die auch in die Breite der mittleren Bürgerschicht hineinwirkte. In Brandenburg wurden 1944 hingerichtet der Bergwerksdirektor Wilhelm Rikken aus Essen, der Fabrikant Leo Statz aus Düsseldorf und der Diplomkaufmann Wilhelm Schütt aus Wuppertal ..."

Doch geht aus dieser Anmerkung nicht hervor, daß eine Verbindung zu den Leuten um Stauffenberg oder Gördeler bestand.

Bürgermut bei Übergabe der Städte

Der Befehl des Generalfeldmarschalls Model, noch kurz vor Kriegsende Brücken und Stadtwerke zu sprengen und politisch unzuverlässige Elemente zu liquidieren, blieb nicht geheim. Während die Polizei- und SS-Gerichte Todesurteile fällten und die Standgerichte und Exekutionskommandos ihr blutiges Handwerk verrichteten, versuchten mutige Bürger, die Zerstörung ihrer Stadt abzuwenden.

In Düsseldorf bewog eine Gruppe mutiger Handwerksmeister, zu der auch ein Architekt und ein Rechtsanwalt gehörten, den Oberstleutnant Jürgens, den Polizeipräsidenten zu verhaften und die Stadt den anrückenden Amerikanern kampflos zu übergeben. Der Plan gelang am 16. April 1945 nur teilweise. Die SS befreite den Polizeipräsidenten Korreng, und ein Standgericht verurteilte Oberstleutnant Jürgens zum Tode. Ein anderes Standgericht fällte über vier Mann der Widerstandsgruppe gleichfalls Todesurteile, die um Mitternacht vollstreckt wurden.

Inzwischen waren die zwei Beauftragten, die den Amerikanern die kampflose Übergabe der Stadt anbieten sollten, durch die Fronten gelangt. Sie konnten gerade noch verhindern, daß 1200 Bombenflugzeuge aufstiegen, um Düsseldorf sturmreif zu bombardieren, und zogen am 17. April auf den ersten Panzern der Amerikaner in die Stadt ein.

Liquidierung von Häftlingen verhindert

General Model gab vom Düsseldorfer Parkhotel in den letzten Kriegswochen Befehle heraus, die das Kalkumer Bombenkommando ganz oder teilweise durchkreuzen konnte. Alle politisch unzuverlässigen Elemente, wozu auch die politischen Häftlinge in den Zuchthäusern gezählt wurden, sollten bei weiterem Vormarsch der Amerikaner liquidiert werden. Brücken, Versorgungseinrichtungen, Stadtwerke, Lebensmittellager waren zur Sprengung vorzubereiten. Hauptmann Schweitzer beriet sich in Hagen mit einigen politischen Häftlingen seines Kommandos. Man beschloß, unbrauchbare Sprengladungen zum Zuchthaus Werl zu schicken und, um nicht aufzufallen, sie nach einigen Tagen wieder abzuholen. Zum Lebensmittellager fuhr man und „vergaß" Strippen mit Zünder. Man mußte zum Lager zurück, um das Vergessene zu holen, wobei man nicht vergaß, die Lastwagen mit Lebensmitteln vollzupacken.

Der schönste Erfolg wurde im Zuchthaus Lüttringhausen erzielt, wo politische Häftlinge zum Erschießen abgeholt werden sollten. Hauptmann Schweitzer forderte sofort einen Transport neuer Bombenräumer an, möglichst politische, weil auf diese erfahrungsgemäß Verlaß sei. Er käme selbst sofort, um 30 Leute abzuholen. Tatsächlich konnte auf Lastwagen eine noch größere Anzahl Hitlergegner herausgeholt und vor der Erschießung bewahrt werden. Es blieb ein Teilerfolg, weil die Wuppertaler Gestapo dennoch kurz darauf 72 Häftlinge aus Lüttringhausen in geschlossenen Möbelwagen abholte und in der Wenzelbergschlucht bei Solingen-Ohligs erschießen konnte.

Auch im Zuchthaus Siegburg war das Leben der Häftlinge bedroht. Der Kreisleiter der NSDAP stieß aber auf den Widerstand des Direktors, der sich auch dem halbstündigen Ultimatum des SS-Führers nicht beugte, sondern die Waffen aus der Waffenkammer ins Zuchthausinnere bringen ließ, damit er sich gegebenenfalls gemeinsam mit den Häftlingen verteidigen konnte. Die SS suchte das Weite, als die Amerikaner vorrückten.